Kreislaufwirtschaft? Ja, aber bitte nicht so ernst

Die Ergebnisse der letzten Befragugswelle des Umweltpanels der ETH Zürich zeigen: Die Menschen in der Schweiz wollen zwar eine nachhaltige Wirtschaft, jedoch nicht zu jedem Preis.

6. Oktober 2023

Kaffee im Mehrwegbecher, Kleider flicken, Bierflaschen recyclen. Für viele Studierende so alltäglich wie der morgendliche Mate aus der blauen Dose. Doch sind solche kreislaufwirtschaftlichen Verhaltensweisen auch ausserhalb der studentischen Meinungsblase verankert? Wie denkt die Schweizer Bevölkerung eigentlich über Umweltthemen?

Zweimal jährlich versucht das Umweltpanel der ETH in Kooperation mit dem Bundesamt für Umwelt genau diese Frage mittels einer landesweiten Befragung zu beantworten. Abgefragt werden Einstellungen zu verschiedenen umweltpolitischen Angelegenheiten, Massnahmen und Trends sowie Meinungen zu aktuell relevanten Umweltthemen.

Die ETH befragt dazu mehrere tausend Menschen aus allen Bevölkerungsschichten der Schweiz. Das spannende dabei: Es werden über die Jahre immer wieder die gleichen Personen befragt, was Einstellungsveränderungen bezüglich Umweltthemen auf der Individualebene sichtbar macht.

Grundsätzlich grosse Bereitschaft

Die letzte Befragungswelle fand 2022 statt und beschäftigte sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft. Kreislaufwirtschaft bedeutet kurz gesagt, dass die Wirtschaft keinen oder sehr wenig Abfall produziert. Jedes Produkt oder Material, welches neu produziert wird, soll so lange wie möglich repariert oder weiterverwendet werden.

Aber wie sieht es dazu mit der Bereitschaft in der Bevölkerung aus? Eigentlich nicht schlecht. Ein Grossteil der Befragten zeigt eine grosse Bereitschaft gegenüber kreislaufwirtschaftlichen Verhaltensweisen. Sogar gegenüber strengen regulatorischen Vorschriften wie beispielsweise einer Reparaturpflicht für bestimmte Produkte zeigen sich in der Schweiz lebende positiv eingestellt.

«Der Wunsch nach eigenen, neuen Produkten ist fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert.»
Sarah Gomm, Politik und Umweltexpertin im Projektteam des Umweltpanels

Doch was auffällt, ist die Kluft zwischen der theoretischen Bereitschaft zum kreislaufwirtschaftlichen Verhalten und den im Alltag praktizierten Massnahmen. Die Bevölkerung unterstützt kreislaufwirtschaftliche Massnahmen, möchte diese aber im Alltag lieber nicht selbst umsetzen. Laut Sarah Gomm, Politik und Umweltexpertin im Projektteam des Umweltpanels, liegt das am Zeitgeist: «Der Wunsch nach eigenen, neuen Produkten ist fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Trotzdem können mit Kreislaufwirtschaft Personen mit verschiedensten politischen Ausrichtungen etwas anfangen, nicht nur politisch links-grün ausgerichtete, was wiederum die breite Zustimmung erklärt».

Es gibt allerdings einen Faktor, der die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis verringert: Geld. Clara Brügge, ebenfalls Expertin im Projektteam der Panelstudie sagt: «Alles steht und fällt mit den Kosten»: Die Befragten stimmen beispielsweise einer Reparaturpflicht zu, möchten aber ihr kaputtes Smartphone aus finanziellen Gründen nicht reparieren lassen.
Auch ein Gebrauchtes zu kaufen steht eher tief im Kurs. Die Gründe sind neben dem Wunsch nach Neuem auch hier finanziell: Es lohne es sich nicht, in gebrauchte Produkte zu investieren, wenn neue nicht signifikant mehr kosten und noch dazu langlebiger sind. 

Alles verteuern?

Allerdings erhöht sich die Bereitschaft, Produkte reparieren zu lassen, je teurer der Erstkauf des Produkts die Konsument*innen zu stehen kam. Waschmaschinen werden beispielsweise viel häufiger repariert als Kleider.

Ist die Lösung also, einfach alles teurer zu machen? Nein, meint Sarah Gomm. Für sie ist Langlebigkeit das Zauberwort. Wie lange Produkte halten, war den Befragten beim Kauf beinahe gleich wichtig wie der Preis. «Dieser Faktor hat zwar mit Kosten zu tun, erhöht aber die Bereitschaft zu kreislaufwirtschaftlichem Verhalten wie Reparatur» sagt Brügge. Ausserdem kann sich die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen erhöhen, wenn sie langlebigere Produkte herstellen würden, was möglicherweise auch der ein oder anderen konservativ eingestellten Personen zusagen könnte.

Laut Gomm verhält sich die Kluft zwischen theoretischer Bereitschaft und realen Verhaltensweisen bei der Kreislaufwirtschaft ähnlich wie bei allen anderen umweltpolitischen Themen. Denn genauso, wie es für viele Studierende selbstverständlich ist, die Dose ihres täglich aus Südamerika importierten Erfrischungsgetränks zu recyclen, nehmen viele immer noch gerne den SUV zur Entsorgungsstelle. Einen Bias zu Small-Impact Verhaltensweisen nennen das die Expertinnen. Das Bewusstsein zur Umweltfreundlichkeit sei demnach zwar vorhanden, aber gehandelt wird weiterhin nur innerhalb der eigenen Komfortzone.