Frauen sind in der Wissenschaft nach wie vor stark unterrepräsentiert.

Forscherinnen gesucht

Die Women in Natural Sciences Society will, dass sich Wissenschaftlerinnen an der männerdominierten ETH wohl fühlen.

Lucas Hecht Wulff (Text) und Linn Stählin (Illustration)
2. Oktober 2023

Marie Curie und Rosalind Franklin sind Ausnahmen: Wissenschaftlerinnen waren und bleiben eine klare Minderheit – auch an der ETH. 2022 wurden nur 40 Prozent der neuen Professuren an Frauen vergeben. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass nur eine von fünf Dozent*innen weiblich ist. An anderen Schweizer Hochschulen sind die Zahlen von Forscherinnen kaum besser.

Frauen sind in der Wissenschaft nicht nur stark unterrepräsentiert, die Atmosphäre ist für viele nicht einladend. Women in Natural Sciences Society (WINS) will diese Umstände verbessern: Wissenschaftlerinnen sollen sich an der ETH wohl fühlen. «Ich war sehr überrascht, dass es so etwas noch nicht gab, in anderen Ländern sind ähnliche Vereine ziemlich verbreitet», sagt Professorin Katherine Elvira, ehemalige Chemie-Forscherin an der ETH und Mitbegründerin von WINS.

«Mikroaggressionen
sind wie Mückenstiche»

Der Verein wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, den Austausch zwischen Forscherinnen im Chemie-Department zu fördern, heute steht es auch für die Departemente Biologie, Physik und Materialwissenschaften offen. Redner*innen aus Forschung und Industrie werden eingeladen, Karriereperspektiven vorzustellen, und Veranstaltungen zu Themen wie Mikroaggressionen finden statt.

Mikroaggressionen können vermeintliche Kleinigkeiten wie Kommentare über das Aussehen sein, deren Auswirkungen nicht unterschätzt werden sollten. Elvira vergleicht sie mit Mückenstichen: «Einer ist kein Problem, aber sobald sie sich anhäufen, wird es unerträglich.» Unter anderem trage dies dazu bei, dass Forscherinnen die wissenschaftliche Laufbahn aufgeben, was Studien zufolge einer der wichtigsten Faktoren für die Unterrepräsentierung ist. Im Mittel ist nämlich die Produktivität von Forscherinnen und Forschern gleich, die Karrieren ersterer sind aber deutlich kürzer. Folglich gibt es weniger Professorinnen, also weniger Vorbildfiguren und schliesslich weniger neue Studentinnen.

Heute forscht Elvira in Kanada. Trotz ihrer Professur muss sie noch regelmässig gegen Diskriminierung kämpfen und ist enttäuscht darüber, dass sich seit ihrer Studienzeit wenig geändert hat. Dennoch ist sie von den dortigen Massnahmen beeindruckt: Wer sich für Forschungsgelder bewirbt, muss in einer längeren Stellungnahme einen Plan skizzieren, wie Gerechtigkeit, Vielfalt und Integration in ihrer Forschungsgruppe gefördert wird. Die ETH kennt keine solchen Massnahmen.