Sie wollen nach Bern
Diese Studierenden der Uni und ETH kandidieren für den Nationalrat. Wir haben sie in ihren Lieblingscafés in Zürich getroffen.
«Ich wurde durch mein trans-Sein politisiert»
Sofia Rohrer trinkt einen Eistee im «Si O No» im Kreis 4, das hier sei ihr Politikcafé, das SP-Büro ist gleich nebenan. Die 24-jährige Physikstudentin wurde durch ihr trans-Sein politisiert: «Das geht nicht apolitisch an einem vorbei». Die Wut auf die den Umgang der Schweiz mit Minderheiten hätte sie zu den Jungsozialist*innen (JUSO) gebracht, wo sie sich unter anderem für den Diskriminierungsschutz von trans Menschen einsetzt. Die trans Themen seien eng mit feministischen Anliegen verschränkt: Jede*r sollte mit dem eigenen Körper machen dürfen, was er*sie will. Seit knapp einem Jahr ist sie Co-Präsidentin der JUSO Stadt Zürich. Ein politisches Vorbild hat Sofia nicht, sie kenne keine trans Frau, die ähnliche Politik mache wie sie. Heute wohnt sie in einer Genossenschaft in Bülach, nachdem sie wegen der Wohnungsnot aus der Stadt ziehen musste – auch die Teuerung beschäftigt sie stark. Davor hat sie in Altstetten gewohnt und ging regelmässig ins Café du Bonheur, ihr eigentliches Lieblingscafé.
«Fuck Polarisierung»
Marc Rüdisüli sitzt im Café Franzos am Limmatquai, Eistee-trinkend. Der 25-Jährige präsidiert seit zwei Jahren die Junge Mitte Schweiz, daneben studiert er Politologie und Recht an der Uni Zürich. Im Gymi hat Marc bei «Jugend debattiert» mitgemacht und gleichzeitig zu Hause oft über Politik gesprochen, sein Grossvater war CVP-Kantonsrat und Kantonsrichter, sein Vater ist Mitglied der Mitte-Partei, seine Schwester bei den Jungfreisinnigen. Zwei Themen beschäftigen den gebürtigen Thurgauer besonders: Klimawandel und Energie und der demografische Wandel. In der Altersvorsorge brauche es generationen-gerechte Lösungen, in Energiefragen sollten die Erneuerbaren ausgebaut werden. Seine politischen Vorbilder: Altbundesrätin Doris Leuthard wegen ihrer «gewinnenden Art». Und rhetorisch Barack Obama. Wieso er sich im Nationalrat sieht: «Ich bin in Bern schon gut vernetzt», sagt Marc selbstbewusst. Zudem verharre er nicht ideologisch auf seinen Standpunkten, sondern sei offen für Dialoge.
«Ein wenig CO2 zu kompensieren reicht nicht!»
Diana Diaz sitzt im Café Miro bei der Langstrasse, sie macht ihr Praktikum gleich nebenan beim WWF. Die 23-Jährige hat soeben ihren Bachelor in Politik- und Umweltwissenschaften abgeschlossen. Politisiert hat Diaz die SVP mit ihrer Hetze gegen Ausländer*innen bei der Masseneinwanderungsinitiative. Ausschlaggebend für ihren Eintritt in die Politik bei den jungen Grünen war aber der Klimastreik. Die Klimakrise und die fehlenden politischen Rechte für Ausländer*innen seien für sie die wichtigsten Themen. «Wenn nicht nur die Erdöl-Lobbyisten etwas zu sagen hätten, würde das auch gegen die Klimakrise helfen!» In Bern brauche es mehr junge Frauen mit Migrationshintergrund, Leute wie sie. «Wie kann es sein, dass vor allem Senior*innen über unsere Zukunft bestimmen?», sagt Diaz. Sibel Arslan motiviert sie mit ihrer Politik im Bereich Demokratisierung. Schliesslich sei ein Viertel der Menschen in der Schweiz oder – wenn man die Minderjährigen einrechne – sogar mehr, nicht wahlberechtigt. Auch das will Diaz ändern.
«Ich will eine liberale Ordnung mit sozialem Gewissen»
Janik Steiner erzählt im Café Freud beim Irchel, wie er sich hier mit Freunden während eines Semesters jeden Mittwochmorgen getroffen hat, um Zeitung zu lesen, und ausserdem sei der Vibe hier «richtig cool». Das Problem dieses Jahrhunderts sei die Umwelt: sowohl Klimawandel als auch Biodiversitätsverlust. Es sei das grösste Problem, das die Menschheit jemals hatte, sagt der GLP-Kandidat, und nimmt einem Schluck von seinem Flat White. Steiner findet, dass sich die Schweiz an den Green Deal der EU halten sollte. Sein politisches Vorbild: EU-Kommissarin Margrethe Vestager. «Das Hauptproblem ist, dass wir die Klimakrise nicht ernst genug nehmen», sagt der 26-jährige Politikstudent. Das Studium, insbesondere der Austausch in Berlin und Frankreich, hätten ihn sehr geprägt: «Ich habe gelernt, dass der Mensch mehr ist als sein Job. Gerade Career Starters arbeiten in der Schweiz oft so viel!» Darum findet er die 35-Stunden-Woche eine gute Idee. Er fordert eine liberale Ordnung mit einem sozialen Gewissen, darum kandidiert er.
«Die Linken argumentieren zu ideologisch»
Lea Sonderegger trinkt Cappuccino im Café Henrici und erzählt dabei, dass ein Thema sie besonders beschäftigt: Die AHV. Im Jugendparlament des Kanton Zürichs sah sie einst FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, ihr heutiges politische Vorbild, zur Altersvorsorge referieren. Es war ein Schlüsselerlebnis, als sie hörte, wie es wohl um ihre Rente stehen wird. Daraufhin trat Lea dem Jungfreisinn bei, wo sie sich nun unter anderem für die Renteninitiative engagiert. Ausserdem findet die 19-jährige Biomedizinstudentin die Themen Gentechnik und Reproduktionsmedizin wichtig. Gentechnik in der Landwirtschaft sollte erlaubt werden, findet sie, wie auch Eizellenspende und Leihmutterschaft. Und der Klimawandel? Der sei ein Problem, doch die Debatte sei zu ideologisch. Chancen sieht sie in neuen Technologien und im Emissionshandel. Seit 2022 sitzt Lea für die FDP im Gemeinderat in Dietikon, wo sie wohnt. Ins Stadtinnere treiben sie nur Parteianlässe und Studium, das Café Henrici habe sie «random» ausgesucht.
«Ich stehe für die Schweizer Werte ein»
Severin Spillmann sitzt im prunken Café Odeon am Bellevue und erzählt, wie er als Jugendlicher dachte: «Das kann es ja nicht sein!». Die Migrationspolitik, in seinen Worten «die anhaltende Masseneinwanderung», hat den 21-Jährigen politisiert. Das Thema treibt ihn bis heute um, wie an seinen Twitter-Posts leicht zu erkennen ist. Spillmann, der im Zürcher Seefeld wohnt, studiert Physik an der ETH und hätte gerne seinen Bachelor schon in der Tasche, doch er braucht noch etwas länger: «Es ist für mich jedoch essenziell, im Leben die Chancen zu sehen», erzählt er bei einem Eistee. Auch die Schweiz müsse angesichts der EU-Politik aufstehen und nach Lösungen suchen. Christoph Blocher inspiriere ihn. Spillmann, Präsident der Zürcher Stadtsektion der Jungen SVP, will die Schweizer Werte und die Schweizer Kultur erhalten. Das seien für ihn etwa «lokale Bräuche, die Vereinskultur, das Milizprinzip, Pünktlichkeit, Anstand und Verlässlichkeit». Um das zu erhalten, wolle er in den Nationalrat.