Wer darf hier rein? Für Geflüchtete ist es schwierig, an Schweizer Universitäten wie der Uni Zürich zu studieren. Sumanie Gächter (Illustration)

Der Zugang zu Zürcher Unis ist für Geflüchtete sehr kompliziert

Für Asylsuchende und Geflüchtete gibt es viele verschiedene Regelungen. Besonders für ukrainische Geflüchtete wurden die Hürden gesenkt, während es für andere Asylsuchende schwierig bleibt.

7. August 2023

In der Schweiz hielten sich laut Schätzungen des Dachverbands der Schweizer Studierendenschaften (VSS) zwischen 2016 und 2020 10'000 hochqualifizierte Geflüchtete auf. Ungefähr 130 von ihnen haben in der Schweiz eine Hochschulausbildung begonnen oder abgeschlossen. Das sind nur rund ein Prozent. Das ist erstaunlich, denn ein grosser Teil der Asylsuchenden, die seit 2015 in die Schweiz geflohen sind, kommen aus Ländern mit einem weit entwickelten Bildungssystem. Die Gründe dafür sind die hohen Hürden in Bezug auf Sprache, Finanzen und Administration. Geflüchtete müssen das Deutschzertifikat C1 besitzen und ihre ausländischen Diplome anerkennen lassen können. Eine solche Anerkennung wird an den Hochschulen unterschiedlich gehandhabt. 

«Alles beruht auf Freiwilligkeit, die Regierung steuert nicht mit und gibt keine Vorgaben.»
Monika Wicki, Kantonsrätin SP

Die Ausgestaltung der Hochschulpolitik zur Integration von Asylsuchenden und Geflüchteten ist im Kanton Zürich nämlich den Universitäten und Fachhochschulen überlassen. Eine kantonale Gesetzgebung gibt es nicht. Dies führt zu markanten Unterschieden in Bezug auf den Zugang zum Studium für Geflüchtete. «Die grossen Differenzen zwischen den Universitäten sind ein Problem. Alles beruht auf Freiwilligkeit, die Regierung steuert nicht mit und gibt keine Vorgaben», sagt Monika Wicki, SP-Kantonsrätin. Das führt je nach Wohnort und Studieninteressen der Asylsuchenden zu ungleicher Behandlung. Wicki hat im Kantonsrat bereits mehrere Vorstösse eingereicht, um in diesem Bereich eine Debatte vom Zaun zu reissen. «Das Thema ist so wichtig, wir müssen die Diskussion immer und immer wieder führen», wo Wicki weiter. 

Der Regierungsrat hat es bisher abgelehnt, kantonale Vorgaben einzuführen, um von allen Hochschulen einheitliche Programme zu verlangen. In ihrem Postulat haben Wicki und Mitunterzeichnende aus der GLP, der AL und den Grünen den Regierungsrat dazu aufgefordert, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, um das Problem anzugehen. «Eine Anfrage ist ein harmloses Instrument», sagt Wicki, «doch immerhin können wir durch eine Abstützung bis in die GLP ein Zeichen setzen». Der Regierungsrat lehnte den Vorstoss mit der Begründung ab, dass bei den Geflüchteten unterschiedliche Vorbildungen, sprachliche und fachliche Vorkenntnisse sowie Studienwünsche bestehen würden. 

Inklusionsprogramm für 2500 Franken pro Semester

Doch durch die Schaffung einheitlicher Zulassungsbedingungen würde lediglich garantiert, dass die Universitäten und Fachhochschulen gleichermassen einen Anschluss ermöglichten. Damit würden unterschiedliche Vorkenntnisse der Asylsuchenden wie sprachliche Unterschiede nach wie vor berücksichtigt werden können. Zusätzlich führt der Regierungsrat die unterschiedlichen Prägungen der Hochschulen als Grund an, weshalb gesetzliche Grundlagen nicht für notwendig gehalten werden. Solange der Regierungsrat keine Massnahmen beschliesst, wird die aktuelle Situation also bestehen bleiben.

Bei genauer Betrachtung der Programme zur Integration von Asylsuchenden werden die Unterschiede der Hochschulen ersichtlich. Die Universität Zürich bietet im Vergleich zu anderen Hochschulen ein umfangreiches Programm an. Im Rahmen des Projekts START! organisiert sie anderem einen Integrationsvorkurs für Geflüchtete, der grundsätzlich für alle Asylsuchende, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, offen ist (hier kann der Artikel zum Thema gelesen werden). Bis zu zwanzig Lektionen Unterricht pro Woche sind für Interessierte vorgesehen, dazu kommen individuelle Beratungen, intensive Deutschkurse vor Semesterbeginn, Computerworkshops und Kurse zu universitärem Arbeiten. Das Inklusionsprogramm kostet satte 2500 Franken pro Semester. Für Asylsuchende mit vorläufiger Aufnahme besteht die Möglichkeit, die Kostenübernahme beim Kanton zu beantragen. Geflüchtete, die sich noch im Verfahren befinden, müssen dafür aber selbst aufkommen.

Flickenteppich von Regelungen

Das Angebot der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) beschränkt sich hingegen auf die Beratung vor und während des Studiums sowie auf die Hilfe bei der Immatrikulation und der Organisation der Modulnachhilfe – Angebote, die allerdings nicht auf Asylsuchende zugeschnitten sind, sondern an einer Hochschule eher als Selbstverständlichkeit gelten. Die ZHAW betont ihr Entgegenkommen gegenüber Geflüchteten mit Schutzstatus S, welche als ‘Visiting Students’ aufgenommen werden. «So entfallen für die Visiting Students sowohl die regulären Anmeldefristen als auch die Studiengebühren», heisst es von der Medienstelle. Personen, die nicht aus der Ukraine kommen, können von diesem Angebot nicht profitieren. 

Sie können sich lediglich für ein ordentliches Studium bewerben, sofern sie die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, die für alle anderen auch gelten. Einzig «Kulanz bei fehlenden Originaldokumenten oder bezüglich Termine im Anmelde- und Zulassungsprozess» wird gewährt. Auf die Frage, wie die ZHAW die Ungleichheiten minimieren will, die durch die unterschiedlichen Zulassungsverfahren entstehen, weicht die Medienstelle aus. Sie verweist darauf, dass sie Interessierte auf die Projekte der Universität Zürich hinweist. Auch die Zürcher Hochschule der Künste hat ein deutlich schmäler gefächertes Angebot als die Uni. Die Teilnahme an Kursen ist für Interessierte nur als Gasthörende möglich.

«Für die Zulassung zu einem Studiengang könnte ein B2-Zertifikat ausreichen.»
Studiumsintegrationskommission des VSUZH

Swissuniversities, die Dachorganisation der Schweizer Hochschulen, rechtfertigt die unterschiedlichen Handhabungen, ähnlich wie der Zürcher Regierungsrat, mit Verweis auf die «individuelle Ausgangslage» jeder Hochschule. Dennoch fördert swissuniversities den Austausch der Hochschulen zum Thema. Im letzten Jahr sei dies im Bezug auf den Umgang mit ukrainischen Studierenden stark genutzt worden, sagt Martina Weiss, Generalsekretärin des Dachverbandes der Schweizer Hochschulen. Swissuniversities unterstützt im Rahmen des 3-Jahres-Plans für die Förderung von Diversität, Inklusion und Chancengerechtigkeit, für das 5 Millionen Schweizer Franken vom Bund gesprochen wurden, das Projekt «Uni4Refugees». «Das Ziel des Projekts ist es, die Integration von studieninteressierten Flüchtlingen in das Hochschulwesen zu fördern», sagt Weiss. Welche konkreten Verbesserungen dadurch erzielt wurden, sagt sie nicht. 

Herausforderungen sieht die Generalsekretärin insbesondere in den Sprachkenntnissen sowie in den vorgängigen Qualifikationen. Auch für die Studiumsintegrationskommission (SIK) des VSUZH ist die Sprache eine grosse Hürde. Für die Zulassung zu vielen Studiengängen ist eine bestandene C1 Prüfung notwendig. «Möglicherweise wäre es sinnvoller, eine C1 Prüfung für den Studienabschluss vorauszusetzen», schlägt die SIK vor. So hätten die Studierenden während des Studiums Zeit, im Austausch mit ihren Mitstudierenden und den Lernmaterialien ihr Deutsch zu verbessern und das Sprachzertifikat zu erwerben. «Für die Zulassung zu einem Studiengang könnte dann womöglich ein B2-Zertifikat ausreichend sein», kommt die SIK zum Schluss. 

Eine Frage des politischen Willens

Ob und wie geflüchteten Menschen Zugang zu Hochschulen verschaffen wird, scheint weniger eine Frage der Möglichkeiten als des politischen Willens. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlagen steht den Hochschulen im Kanton Zürich offen, inwiefern sie die Inklusion von Asylsuchenden fördern wollen. Solange die Politik sich nicht bewegt, ist es den Hochschulen überlassen, eigenständige Projekte zu lancieren, um die Chancengleichheit im Kanton zu fördern. Die Diskussion über den Zugang ist seit dem Ausbruch des Angriffskrieg Russlands zwar lauter geworden, beschränkt sich aber auf Schutzsuchende mit Status S, für die auch in vielen anderen Lebensbereichen Ausnahmeregelungen geschaffen wurden. Diese reichen von vereinfachten Arbeitsbewilligungen, über die kostenlose Abgabe von Futter an die Haustiere ukrainischer Geflüchteter bis hin zum Hochschulzugang. Dies führt zur Diskriminierung von Asylsuchenden anderer Nationalitäten, für die der Hochschulzugang je nach Studienwunsch und Wahl der Hochschule mit sehr hohen Hürden verbunden bleibt.