Ein Spiel mit dem Publikum – Stephan Eicher und Roman Nowka's Hot 3 covern Mani Matter

Kulturspalte

Lukas Heinser (Text) und Kevin Solioz (Bild)
22. April 2023

Am Donnerstagabend interpretierten Roman Nowka’s Hot 3 zusammen mit Stephan Eicher Mani-Matter-Songs im Bierhübeli in Bern. Die Künstler spielen das Programm schon seit 2022, als sich Matters Todestag zum 50. Mal jährte: Der Berner Liedermacher, bekannt für seine simplen, melancholisch-philosophischen und oft witzigen Texte, kam im November 1972 bei einem Autounfall auf dem Weg an ein Konzert ums Leben. Fünf Jahrzehnte später vermag Matters Werk noch immer zu begeistern – das zeigte die enthusiastische Reaktion des Publikums im ausverkauften Berner Stadtlokal. Die Zuhörer*innen, Durchschnittsalter etwa 50, johlten, jubelten und sangen mit, als die vierköpfige Gruppe Matters Lieder in rockigen, stimmungsvollen Versionen zum Besten gaben.

Zuerst trat die Band ohne Eicher auf die Bühne. Die Band, das sind Roman Nowka (elektrische Gitarre), Simon Gerber (Bass) und Lionel Friedli (Drums). Die drei begannen den Abend mit der «Chue am Waldrand». Die allegorische Ballade erzählt von einem Maler, dem im letzten Moment sein Sujet – eine Kuh – davonläuft und ihn an der Vollendung seines Meisterwerks hindert. «Doch d Wält isch so perfid / Das si sech sälte oder nie / Nach Bilder wo mir vore gmacht hei richtet», so stellt der Liedtext zum Schluss seine eigene Moral.

Diesen Liedtext konnte man sich in Nowkas Version aber höchstens selbst mitdenken – die Band interpretierte den Song nur instrumental. Gerber spielte seinen Bass zurückhaltend brummend und Friedl gab den Puls routiniert. Nowka spielte die Melodie in eher nüchterner Form, wie jemand der ein Lied zum ersten Mal hört und es gleich nachzuspielen versucht. Der Sound war perfekt abgemischt und bot einen stimmigen Grundklang – und in improvisierten Zwischeneinlagen blühte Nowka auf, liess seine Finger über das gesamte Griffbrett tänzeln, die Gitarre in hohen Noten aufschreien.

Es folgten «Ds Lotti schilet» und «Boxmätsch», deren kindlich eingängige Melodien die Band – wiederum rein instrumental – in verspielter, fast betrunkener Weise wiedergab, sodass sie teils einem Schluckauf ähnelten.

Nach dem Instrumentalteil sagte Nowka den Star des Abends an: «Wenn dieser Mann singt, ist es so huere guet, manchmal wenn ich ihm zuhöre, vergesse ich, selbst zu spielen». Eicher kam mit einem schelmischen Lächeln hinter dem Vorhang hervor und fegte mit einem rauhen «Dr Alpeflug» die Bude weg. Dem 62-jährigen merkt man seine jahrzehntelange Bühnenerfahrung an: Er sprach die Worte direkt und rhythmisch präzis und gab dem Konzert eine klare Richtung.

Als «schelmisch» lässt sich indes nicht nur Eichers Lächeln beim Betreten der Bühne, sondern auch sein Verhalten während des gesamten Auftritts beschreiben: Immer wieder erzählte er Anekdoten und betrieb Schabernack – etwa, indem er ein Post-It von seinem Notenständer entfernte, zu Konfetti zerriss und unter Trommelwirbel in die Höhe warf. Das fanden viele lustig, es sorgte aber auch für Rufe aus dem Publikum: «Concentré!», rief eine Person.

Manchmal war nicht ganz klar, ob der Sänger einfach für Unterhaltung sorgen oder auch ein busschen provozieren wollte – wie um herauszufinden, wie weit er es treiben könne. Das Ganze hatte aber ein gewissen Charme, der ein an Bob Dylans berühmte Veräppelungen des Publikums erinnerte.

Eicher machte ausserdem einige Andeutungen zu kulturpolitischen Themen, etwa bei der Ankündigung von «Dr Sidi Abdel Assar vo el Hama». Dessen Text ahmt durch Veränderung der Vokale einiger Wörter die arabische Sprache nach. «Manchmal gibt es Momente, in denen man sich nicht sicher ist, ob die Karriere bald vorbei ist», so Eicher. «Etwa wenn ihr jetzt aufzeichnet, wie ich das nächste Lied spiele.» Er fände es gut, dass man die Vergangenheit reflektiert und kritisch betrachte, betonte er und spielte damit auf aktuelle Diskurse über Rassismus und kulturelle Aneignung an. «Wir spielen das Lied jetzt aber trotzdem.»

Allgemein scheint sich Eicher als alternder Künstler zu betrachten. Als ihn ein*e Zuhörer*in während einer Anekdote unterbrach und fragte, warum es eigentlich in dieser Band keine Frau gebe, entgegnete er: «Was für ein Instrument spielst du? Klavier? Also, meine Damen und Herren, jetzt kommt: Das Klavier!» Er zeigte dabei auf eine leere Stelle neben dem Schlagzeug und «korrigierte» sich kurz danach: «Ah nein, sorry, das ist erst morgen. Wir sind zu alt dafür. Darf ich jetzt weiterfahren?» Ob das nur ein Scherz oder eine ernstgemeinte Zurechtweisung war, liess sich nur schwer erraten. Am ehesten war es aber wohl beides.

Das Konzert schritt indes mit der gleichen Energie voran, die Eicher mit sich auf die Bühne gebracht hatte. Die Musiker hatten sichtlich Spass, nahmen sich viele Freiheiten, jamten über die simplen Grundstrukturen der Lieder und so wurde es nie langweilig. Gegen Ende durfte auch «Hemmige» nicht fehlen, das Eicher bereits 1992 gecovert und das ihm zum Durchbruch verholfen hatte – sogar in Frankreich, wo der Künstler noch immer grosse Beliebtheit geniesst.

Zum Schluss feierte das Publikum die Musiker mit tosendem Applaus. Das letzte Lied war dann auch wirklich das letzte. Eicher hatte zuvor schon darauf hingewiesen: «Ich hasse Zugaben. Stellt euch also darauf ein, dass irgendwann einfach fertig ist.»

Roman Nowka’s Hot 3 und Stephan Eicher ziehen mit ihrem Programm dieses Jahr weiter durchs Land. Am 20. und 21. Dezember treten sie im Kaufleuten in Zürich auf.