Von links nach rechts im Scheinwerferlicht: Die drei Bestplatzierten und Moderator Romeo Meyer. Marco Galeazzi

Zürich dichtet im Zeichen des Regenbogens

Kulturspalte

26. März 2023

Poetry Slam — Schon zum zweiten Mal ging am 9. März im Zürcher Kabaretthaus The Millers die neue Veranstaltungsreihe «Queer Poetry Slam» über die Bühne. In der gemütlich-familiären Atmosphäre des Theaters traten Slam-Anfänger*innen gemeinsam mit erfahrenen Künstler*innen auf. Ihre Texte waren persönlich und so vielfältig wie die Poet*innen selbst.

An diesem Abend erzählten sie von queerfeindlichen Heterofrauen, die begeistert Lieder lesbischer Ikonen hören, beklagten die Begrenztheit der wertvollen Ressource «Mittelfinger», oder sprachen über das Nicht-Verschwinden, das Lauter-, Bunter- und Schriller-Werden als Antwort auf queerfeindlichen Hass. Gedichtet wurde aber genauso über schöne Erlebnisse. Die glückliche Zeit mit einer besonderen Person am feministischen Streiktag, das Verliebtsein, die Gemeinschaft. Der Schauspieler Romeo Meyer führte dabei mit viel Witz durch den Abend.

Wie bei Poetry-Slam-Anlässen gewöhnlich, bewertete das Publikum die Auftritte. Die beste Performance wurde im Finale an der Intensität des Beifalls festgestellt. Ein Unterschied zum herkömmlichen Slam: Bei dem Format in The Millers sind Hilfsmittel und Verkleidungen erlaubt. Buntes und Schrilles ist gar erwünscht. Obwohl solche Accessoires insgesamt bescheiden eingesetzt wurden, bietet die Regeländerung eine kreative Freiheit, die zum Konzept passt.

Der «Queer Poetry Slam» ist eine der wenigen Slam-Veranstaltungen, die den Fokus spezifisch auf queere Personen legt. Entstanden ist das Format in Kollaboration zwischen The Millers und dem Zürcher Poetry-Slam-Label Silbenschmied. Dass dieser queere Rahmen wertvoll ist, spiegelte sich  am Abend in den Texten der sieben Teilnehmenden wider.

Für Nele Solf, eine dieser Personen, macht es einen grossen Unterschied, ob das Publikum mit queeren Themen vertraut ist. «Du musst grundsätzliche Sachen nicht mehr erklären», meint Nele im Interview. So werde beispielsweise die enge Beziehung zweier weiblich gelesener Personen in Neles Text nicht bloss als «schöne Freundschaft» interpretiert. Ausserdem ginge es um den Austausch, um Schwierigkeiten, aber auch um geteilte Verbindungen und Glücksmomente. Der Wettbewerb scheint für Nele dabei nebensächlich zu sein. Die Stimmung hinter der Bühne sei sehr herzlich, man umarme sich nach dem Auftritt und beglückwünsche sich gegenseitig, erklärt Nele. Und auch der Preis der Gewinner*in eines Slams, eine Flasche Whisky, wird normalerweise geteilt. Mit dieser herzlichen Atmosphäre ist der «Queer Poetry Slam» jedenfalls eine Veranstaltung, die Lust auf mehr macht – für die queere Gemeinschaft und alle ihre Allies.