Ein Handschlag soll reichen: Die Versprechen zu mehr Gendergerechtigkeit geben die Parteien nur mündlich ab.

Ein Wettspiel für mehr Frauen in der Politik

«Helvetia ruft!» setzt sich für mehr Ausgeglichenheit der Geschlechter bei den Wahlen ein. Die Initiative von Alliance F gleicht einer PR-Aktion. 

Leonie Traber (Text) und Pascale Albrecht (Illustration)
9. März 2023

Der blinkende Schriftzug sticht sofort ins Auge, wenn man die Website des Projekts «Helvetia ruft!» besucht. «Helvetias Grosse Wette auf eine bessere Demokratie» steht da, die Buchstaben sind gesäumt von grellem Licht – das Layout scheint Dringlichkeit vermitteln zu wollen. Gleich darunter animiert ein knallroter Button dazu, selbst am Wettspiel teilzunehmen und zu spenden. Die diesjährige Kampagne der überparteilichen Frauenbewegung «Helvetia ruft!» setzt auf eine besondere Strategie, um ihr Anliegen auf die Agenda der Schweizer Wahlen im Herbst 2023 zu bringen. Sie verpflichten Parteien zu Wetten, Ziele in Sachen Gendergerechtigkeit zu stecken. So sollen zukünftig die binären Geschlechter in der Politik ausgeglichener repräsentiert werden. 

Breite politische Abstützung

Konkret wurden den Präsident*innen der grossen Schweizer Parteien von Politiker*innen aus deren eigenen Reihen Versprechen abgenommen, die Forderungen zu mehr Ausgeglichenheit der Geschlechter bei den Wahlen beinhalten. «Die Kampagne sollte humorvoll und medienwirksam sein, daher die Idee mit der Wette», sagt Agnes Schubert, Projektmitarbeiterin der Kampagne «Helvetia ruft!» unter dem Dach von Alliance F, dem ältesten nationalen und überparteilichen Dachverband der Frauenorganisationen der Schweiz. Mit Helvetia, der «Protagonistin» der Kampagne, könne man nur auf eine Verbesserung der Stellung der Frauen wetten und nicht dagegen – dadurch könne ein positives Framing aufgebaut werden, welches von allen Parteien mitgetragen werde.

Die Initiative bemüht sich darum, eine überparteiliche Bewegung zu sein. Bekannte Gesichter wie Maya Graf, grüne Ständerätin, Andrea Gmür-Schönenberger aus der Mitte oder Céline Amaudruz, Nationalrätin der SVP, stehen hinter der Kampagne. Aufgrund dieser breiten Abstützung entsteht das Risiko, dass sich politische Kräfte in der Frauenfrage im Hinblick auf die Wahlen profilieren können, die in ihrer Realpolitik keine Verbesserung der Situation anstreben oder eine solche sogar ablehnen. Agnes Schubert widerspricht dieser These und bekräftigt, Parteien aller Couleur seien für den Erfolg der Kampagne von entscheidender Wichtigkeit. Es sei bereits ein Fortschritt, wenn sich alle zum Thema äusserten.

Nur zwei Geschlechtskategorien werden berücksichtigt

«Helvetia ruft!» fokussiert sich zwar primär auf die nationalen Wahlen, besteht aber auch darüber hinaus und unterstützt lokale Initiativen bei anderen Urnengängen. Für die Kantonsratswahlen vom Februar im Kanton Zürich hat die Frauenzentrale Zürich beispielsweise ein ähnliches Projekt unter dem Namen «Züri-Löwinnen» gegründet, das mehr Frauen in der Politik fordert. Diesem hatte Alliance F bei der Lancierung in einer Rede symbolisch den Stab übergeben. Unter anderem davon erhoffte sich Agnes Schubert einen deutlichen Anstieg des Frauenanteils im kantonalen Parlament. Bereits 2019, ein Jahr nach der Gründung von «Helvetia ruft!», war dieser von 33 auf knapp 40 Prozent gestiegen. Nach den Wahlen vom 12. Februar liegt er gar bei rund 44 Prozent. 

Die Bewegung verspricht nicht, die strukturellen Probleme der Geschlechterungleichheit an den Wurzeln zu packen – auch, da bisher nur zwei Geschlechtskategorien in der Kampagne berücksichtigt werden. Sie wird kaum einen Umbruch hin zu utopischer Gleichstellung auslösen, doch sie nutzt das politische Momentum, um in den Schweizer Räten eine tatsächliche Verbesserung in puncto Repräsentation der Frauen zu erzielen. «Helvetia ruft!» wird wohl auch nach den kommenden Wahlen im Herbst weiterhin für eine 50:50-Vertretung mit dem Finger auf die Politlandschaft zeigen und für mehr ausgeglichene Politik ihre «Weibelkunst» einsetzen müssen.