Gericht schützt Zebrafinken vor Tierversuchen.

Zürcher Verwaltungsgericht hebelt Expert*innen aus

Die Richter untersagen schwere Tierversuche an Zebrafinken – obwohl die kantonale Tierversuchskomission das Projekt bewilligt hat.

Jan Isler (Text) und Lucie Reisinger (Illustration)
6. März 2023

Die dritte Kammer des Zürcher Verwaltungsgerichts war mit einer gewaltigen Aufgabe konfrontiert. Wie bei Gerichtsprozessen üblich, hatte es über zwei grundsätzlich gegenteilige Anträge zu befinden. Unter den Beschwerdegegner waren die Leiter des Tierversuchbereichs am Institut für Neuroinformatik der ETH und Uni Zürich. Eine Forschungsgruppe des Instituts nahm an einem Projekt teil, welches die Mechanismen im Gehirn von Singvögeln untersuchen möchte.  Dieses wird sogar von staatlicher Stelle der USA finanziert. Hierfür sollten an der Uni und der ETH Zürich hoch invasive Tierversuche an Zebrafinken durchgeführt werden. Dazu gehörten operative Eingriffe mit Implantat am Schädel und die Injektion von fluoreszierenden Flüssigkeiten in das Gehirn der Tiere. Die von den Operationen betroffenen Zebrafinken sollten nach den Versuchen euthanasiert werden. Bei solchen Versuchen braucht es eine Bewilligung. Diese wurde dem Projekt vom Veterinäramt des Kantons Zürich erteilt.

Volksinitiative der 90er-Jahre als Grundlage

Auf der anderen Seite standen die Beschwerdeführer. Sie sahen bei diesem Vorgehen verschiedene Tierschutzgesetze verletzt. Interessant dabei: Die Gegner der Tierversuche sitzen in der kantonalen Tierversuchskommission. Und genau diese war es, die dem Veterinäramt mittels Mehrheitsentscheid die Tierversuche eigentlich zur Bewilligung empfohlen hat. Doch mit der Einführung eines spezialgesetzlichen Beschwerderechts auf der Grundlage einer Volksinitiative in den 90er-Jahren konnten diejenigen Mitglieder, welche gegen die Bewilligung stimmten, den bewilligten Tierversuch gerichtlich überprüfen lassen. 

Ganz geheuer schien es dem Verwaltungsgericht mit der übertragenen Aufgabe jedoch nicht zu sein. Denn vor der rechtlichen Beurteilungen hielt es schon einmal präventiv fest, dass die rechtliche Prüfung der Zulässigkeit von Tierversuchen aufgrund der hohen Komplexität der Materie und ihrer engen Bezüge zu tier- und wissenschaftsethischen Fragestellungen ungemein anspruchsvoll sei. 

Das Gericht kann sich über Tierschutz und Ethik hinwegsetzen.

Und man kann sich durchaus die Frage stellen, inwieweit die drei Richter der dritten Kammer des Verwaltungsgerichts, welche sich von baurechtlichen Bewilligungen bis hin zur Wasserwirtschaft mit allerlei Thematiken auseinandersetzen, die nötige Expertise zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts besitzen. Denn sie erhalten damit ein scharfes Schwert in die Hand: Der Mehrheitsentscheid der kantonalen Tierversuchskommission, auf welchen sich das Veterinäramt bei der Zulassung eines Tierversuchs massgeblich stützt, kann durch einen gegenteiligen Schluss des Gerichts übersteuert werden – und sich damit über die Resolution von elf Fachpersonen aus den Bereichen Versuchstierkunde, Tierversuche, Ethik und Tierschutz hinwegsetzen. Und so ist es im vorliegenden Fall: Das Gericht hat die Tierversuche an den Zebrafinken als unzulässig erachtet.

Ein Richter sieht es anders

Schlussendlich misst sich ein Tierversuch aber nach dem Tierschutzgesetz und damit nach rechtlichen Kriterien. Diese müssen einer Beurteilung durch ein Gericht offenstehen. Dabei verbleibt jedoch ein Wertungsspielraum bei der Abwägung zwischen dem erwarteten Erkenntnisgewinn und dem Leid, welches dem Tier durch den Tierversuch zugefügt wird. Und nach der abweichenden Auffassung eines Richters und dem Gerichtsschreiber hätte gerade dieser Wertungsspielraum durch die Tierversuchskommission und das Veterinäramt ausgefüllt werden müssen. Denn dem Verwaltungsgericht würden die einschlägigen Fachkenntnisse in diesem Bereich gerade fehlen.