Kleines Zeichen, grosse Empörung: Die Debatte um den Genderstern wiegt schwer.

Viel Lärm um den Genderstern

Hochschulpolitik — Geschlechtergerechte Sprache spaltet die Gemüter. Manche fordern gar ein Gender-Verbot.

Zora Hebeisen (Text) und Zoë Nogier (Illustration)
6. März 2023

«Notenabzüge wegen falschem Gendern»: Das will die parlamentarische Initiative von SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer verhindern, indem sie ein Verbot des Genderns an den Hochschulen fordert. Zusätzlich warfen im Mai 2022 einzelne Zürcher SVP-Mitglieder des Kantonsrats den Unis vor, sie nötigten ihre Studierenden, «abstruse Formulierung zu gebrauchen», sonst drohe ein Abzug bei der Benotung. Die Junge SVP startete gar die Aktion «Stopp Gender-Gaga an der Uni!». Damit bietet sie juristische Unterstützung für Studierende, die sich weigern, den «Sprachvorschriften zu folgen», und deshalb eine schlechtere Benotung erreichen würden.

Tatsächlich geben Schweizer Hochschulen in Sprachleitfäden Ansporn, geschlechtergerechte Sprache zu benutzen. Darunter auch die Uni Zürich und die ETH, die ihren Studierenden sprachliche Tipps und Tricks zur Verfügung stellen: Zum Beispiel für die Paarformulierung, also die männliche und die weibliche Form auszuschreiben,  oder es wird eine geschlechtsneutrale Alternative angepriesen. Die Uni stellt auch den Genderstern zur Auswahl.

Junge SVP wartet auf Studi-Beschwerden

Aber hochschulische Sprachleitfäden enthalten weder Verbote noch Sanktionsvorschriften. Gemäss der Medienstelle der Uni ist das auch nicht geplant. Egal, ob von «geschlechteradäquater», «geschlechtergerechter» oder «gendergerechter» Sprache die Rede ist: Es bleibt den Dozierenden überlassen, wie sie mit gendergerechter Sprache umgehen wollen. Am Institut für Erziehungswissenschaften werde bei der Verwendung des generischen Maskulinums beispielsweise «eine entsprechende Rückmeldung» gegeben, ohne dass es die Benotung beeinflusse, erklärt  die Professorin für Sonderpädagogik Elisabeth Moser. Und auch wenn bei der Gender-Gaga-Aktion der Jungen SVP
«etliche Meldungen» von Studierenden eingehen würden, antwortet die Partei auf Anfrage, ihr sei kein Fall von einem Einfluss auf die Noten bekannt.

Neben den Notenabzügen wird den Hochschulen zusätzlich vorgeworfen, sie bewegten sich auf rechtlich dünnem Eis, wenn sie das Gendern förderten. Tatsächlich gibt es rechtliche Vorgaben betreffend gendergerechter Sprache. Die Uni als kantonale Hochschule muss sich allen voran an die Richtlinien des Regierungsrates halten, die ETH als eidgenössische Hochschule an den Leitfaden der Bundeskanzlei «zum geschlechtergerechten Formulieren in deutschsprachigen Texten des Bundes». Erwähnenswert ist wohl, dass der Bund den Genderstern für unzulässig erklärt, während auf kantonaler Ebene diesbezüglich keine Regeln existieren. Beide sprechen sich jedoch für Paarformulierungen und neutrale Ausdrücke aus und wenden sich explizit vom generischen Maskulinum und Legaldefinitionen ab – also Verweise, welche darauf hinweisen, dass alle Geschlechter mitgemeint sind, auch wenn nur die männliche Form verwendet wird. An diese Vorgaben halten sich Uni und ETH in ihren Leitfäden fraglos. So spricht sich die ETH nirgends für den vom Bund untersagten Genderstern aus.

Auch behördliche Texte sind im Visier

Letzten Sommer reichte die SVP-Gemeinderätin und neugewählte Kantonsrätin  Susanne Brunner die Initiative «Tschüss Gender-Stern» ein. Damit will Brunner Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter in behördlichen Texten verbieten. In diesen taucht der Genderstern allerdings erst auf, seit der Stadtrat 2022 ein neues Reglement erlassen hat. Dieses ordnet an, dass geschlechtergemischte Gruppen und Menschen unbekannten Geschlechts nur mit geschlechtsneutralen Formulierungen bezeichnet werden sollen. Dazu gehöre auch der Genderstern. Da Initiative und Reglement nur die Stadtverwaltung betreffen, hätte eine Annahme der Initiative keinen direkten Einfluss auf das Hochschulleben. Doch die Initiative zeigt, dass manche Kreise den Genderstern nicht nur nicht verwenden, sondern auch verbieten wollen. Bis jetzt sind die Hochschulen nicht betroffen.