Der schematisch dargestellte Insulinspender wird knapp unter der Hautoberfläche eingesetzt. zVg

Insulin auf Knopfdruck

Aus der Forschung — Ein neues Implantat könnte den Alltag von Diabetes-Kranken erleichtern.

6. März 2023

Ein Leben mit Diabetes Typ 1 bedeutet ein Leben mit Spritzen. Bei der chronischen und bisher unheilbaren Krankheit wird im Körper kein Insulin produziert, was die gesamte Körperfunktion beeinträchtigt. Schon nach einigen Stunden ohne äussere Insulinzufuhr kann der Stoffwechsel entgleisen. Daher besitzen viele Typ-1-Diabetiker*innen eine Insulinpumpe, die fast durchgehend am Körper getragen werden muss. Alle anderen, sowie einige der Typ-2-Erkrankten, führen sich das Insulin durch Spritzen oder Insulinpens zu, wobei der Stoff mehrmals täglich injiziert werden muss. Ein anstrengendes und für viele belastendes Prozedere.

Ein Team um Professor Martin Fussenegger an der ETH Zürich  forscht daher an Alternativen. Mitte 2020 gelang es den Wissenschaftler*innen, Insulin produzierende Zellen so zu modifizieren, dass sie das Insulin bei Elektrizitätszufuhr freigeben. Diese Zellen wurden in ein Implantat, etwas kleiner als eine Zwei-Franken-Münze, eingesetzt, welches kabellos gesteuert wird und Stromimpulse aussendet. Dafür braucht es keine Batterie, die Elektrizität wird durch ein elektrisches Feld von einer Art Ladestation geliefert (wie bei elektrischen Zahnbürsten, die ohne Kabel geladen werden). Dadurch werden die Designerzellen aktiviert und schütten Insulin aus. Bei dieser Methode muss die Ladestation von den Patienten getragen werden. Zwei Jahre später stellen die Forschenden eine viel elegantere Lösung vor.

Kleiner als eine Fünf-Rappen-Münze

«In der vorliegenden Arbeit haben wir eine neue Methode zum Aktivieren von [...] Zellen entwickelt, die so einfach ist wie ein Knopfdruck», schreiben die Autor*innen des Papers «Autonomous push button-controlled rapid insulin r-elease from a piezoelectrically activated subcutaneous cell implant». Statt einer äusseren Stromquelle bauten sie in das oben beschriebene Implantat ein sogenanntes Piezoelement ein, also ein Bauteil, das Krafteinwirkung in elektrischen Strom umwandelt. Zudem verkleinerten sie das neue Implantat auf die Grösse einer Fünf-Rappen-Münze. Der Chip kommt ohne externe Apparate aus und soll etwas unter der Haut eingesetzt werden. Dort kann es durch leichten Druck – etwa so, wie wenn man auf ein Keyboard tippt – aktiviert werden. Die Menge an freigesetztem Insulin wird je nach Länge und Frequenz des Drückens reguliert. Bei Versuchen mit Mäusen wurde festgestellt, dass das Insulin innert weniger Minuten für den Körper verfügbar war. Auch nach mehreren Wochen Einsatz des Geräts wurden keine körperlichen Folgen für die Tiere beobachtet. Die Forschenden räumen jedoch ein, dass für einen Einsatz bei Menschen noch einige Schritte unternommen werden müssen. So sollten zum Beispiel Zellen genutzt werden, die im klinischen Kontext bereits Anwendung finden.

Dass elektronische Geräte den menschlichen Körper ergänzen, ist keine Neuheit: Herzschrittmacher und Insulinpumpen werden seit Jahrzehnten eingesetzt. Auch sogenannte Designerzellen, genetisch veränderte Immunzellen, finden schon seit einigen Jahren medizinische Verwendung. Sie haben unter anderem im Rahmen von Krebstherapien Erfolge erzielt, sind jedoch noch sehr teuer und können zum Teil unerwünschte Nebenwirkungen haben. So bleibt auch bei diesem Implantat abzuwarten, ob es für den Einsatz bei Menschen praktikabel ist.