Die Klimagruppe Oberstrass setzt mit den «Parking Days» auf lokalen Aktivismus.

Der Klimastreik wird zum Quartierfest

Die Bewegung wirkt etwas eingeschlafen. Lokal sind sie zwar aktiv, aber kämpfen um Nachwuchs. Was drei Klimagruppen beschäftigt.

22. Februar 2023

«On est plus chaud que le climat!»: So klang es am 2. Februar 2019, als geschätzte 65'000 Menschen in verschiedenen Schweizer Städten nach dem Vorbild von Greta Thunberg auf die Strasse gingen. Seitdem haben sich unter der Flagge von «Strike for Future» schweizweit mehr als 180 Lokalgruppen gebildet.

Unabhängig von der nationalen Bewegung setzen diese ihre eigenen Schwerpunkte und passen so ihre Forderungen dem lokalen Kontext an. Während die einen lediglich in Telegram-Chats präsent sind, haben andere eine eigene Website. Von den auf den sozialen Medien präsenten Gruppen haben einige seit über einem Jahr nichts mehr gepostet. Sind sie also alle eingeschlafen? 

Dem widerspricht Melina Schaller, 24-jährige Studentin und Mitglied der dreiköpfigen Klimagruppe «ETH 4 Future». Die Bewegung möge zwar weniger sichtbar sein, passiert sei aber trotzdem viel. Unter anderem gab es kleinere Demos auf dem Gelände der Uni Zürich und einen Vortrag mit zwei ETH-Forschenden zum «Sixth Assessment Report» des IPCC.

Alte Mitglieder und «Parking Days»

Ähnlich klingt es im Gespräch mit Flurin Tippmann vom Klimastreik Zürcher Oberland. Zwar sei im Moment kein konkretes Projekt in der Pipeline, doch letztes Jahr hätten sie durchaus spannende Aktionen organisiert. So hätten sie an zwei Gemeinderatssitzungen unangekündigt eine Rede gehalten. An Ideen fehle es ihnen nicht, jedoch an Ausführenden, meint Tippmann. Zurzeit sind in der Zürcher Oberländer Lokalgruppe nur fünf Aktivist*innen aktiv. Nachwuchs zu finden, sei schwierig, bestätigt auch Schaller.

Bei der Klimagruppe Oberstrass kämen hingegen immer wieder neue Leute dazu, wenn auch sehr zaghaft, berichtet Mitgründer Matthias Rohrbach, der sich auch beim Verein «Umverkehr» engagiert. Dies mag daran liegen, dass die Gruppe vergleichsweise jung ist – im Gegensatz zu ihren Mitgliedern, von denen die meisten über 40 Jahre alt sind. Die Gruppe ist offiziell nicht dem «Strike for Future» angegliedert.

Ihre starke lokale Vernetzung im Quartier entspricht aber ganz dessen Idealen. So haben sie beispielsweise im vergangenen November beim Stadtrat eine Petition eingereicht: Die Langmauerstrasse soll für den Durchgangsverkehr gesperrt und in eine Begegnungszone umgewandelt werden. Und an den weltweit zelebrierten «Parking Days» hat die Klimagruppe Parkplätze derselben Strasse für ein Quartierfest genutzt.

Zwei Initiativen durchgebracht

Doch wäre es nicht erfolgversprechender, als nationale Einheit tätig zu sein? Tatsächlich werde ihnen von politischer Seite oft entgegengebracht, man könne nichts machen, da das Thema auf kantonaler oder gar Bundesebene geregelt sei, räumt Flurin Tippmann ein. Dennoch sind politische Erfolge auf lokaler Ebene möglich. Im vergangenen Frühling hat Männedorf zwei Initiativen der gleichnamigen Klimagruppe angenommen. Dadurch ist die Gemeinde verpflichtet, den Bau von Solaranlagen finanziell zu fördern und mehr biodiverse Flächen zu schaffen. 

Obwohl die Möglichkeit gegeben wäre, stünden sie nicht im Austausch mit dem «Strike for Future», sagen sowohl Tippmann und Schaller als auch Rohrbach. Für ihre lokalen Projekte sei dies schlicht nicht nötig. Sie alle betonen die Vorteile einer dezentralen Bewegung: Man sei flexibel, könne schnell Entscheidungen fällen und auf aktuelle Entwicklungen in der Politik reagieren. Durch den Lokalbezug sei es ausserdem einfacher, die komplexe Thematik herunterzubrechen und unter die Leute zu bringen.

«Ich denke, das ist die einzige Möglichkeit, einen nachhaltigen Wandel herbeizuführen», ist Schaller überzeugt. Die internationale Demonstration am 3. März hat die Klimagruppe Oberstrass dennoch auf ihrer Website angekündigt.