«Kein Stimmrecht, aber viel zu sagen», lautet die Überschrift auf der Website des «Forum4Inclusion».

«Ich möchte ein Teil der Demokratie sein»

Über eine Plattform, die Nicht-Stimmberechtigten in der Schweiz Gehör im politischen Diskurs verschaffen will - und einen miserablen Index für Inklusion.

Antonia Bieri (Text) und Stella Miotti (Illustration)
12. Dezember 2022

Radikalisierung, Fake-News, Diskriminierung und Hass – Diese Erscheinungen werden oft der modernen Technologie zugeschrieben. Dass eine Digitalisierung demokratischen Prozessen auch Chancen bringt, soll das Meinungsportal «Forum4Inclusion» aufzeigen. Vergangenen Februar präsentierten Jeannie Schneider, studierte Politikwissenschaftlerin und weitere Teammitglieder ihren Prototypen und warfen damit die Frage auf, wie wir die Schweizer Demokratie künftig gestalten wollen.

«Kein Stimmrecht, aber viel zu sagen», lautet die Überschrift auf der Website des «Forum4Inclusion». Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung ist von den nationalen Abstimmungen ausgeschlossen. Darunter Personen mit einer Behinderung, Minderjährige, Sans-Papiers oder Menschen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit, auch wenn sie schon von Geburt an in diesem Land leben. Über anonyme Sprachnachrichten sollen Nicht-Stimmberechtigte auf der Website ihre Meinungen zu den aktuellen nationalen Abstimmungen vertreten können. 

Institutionell getragene Diskriminierung?

«Viele bestehende Social-Media-Plattformen haben Richtlinien, die den demokratischen Werten widersprechen», so Schneider. Damit meint sie den fehlenden Besitzanspruch an die eigenen Daten, die an Dritte weiterverkauft werden, und die Maximierung der Interaktionszeit auf den Apps durch das Hervorheben von extremen Meinungen.«Das alles gibt es bei Forum4Inlcusions nicht.» «Anstatt zuzusehen, was Grosskonzerne wie Google mit unseren Daten machen, sollten wir Themen der Digitalisierung als Gesellschaft demokratisch verhandeln und entscheiden, wie und ob wir diese einsetzen wollen», ergänzt sie.

Die Anforderungen an Personen, welche die Schweizer Staatsangehörigkeit beantragen, sind hoch. Der Einbürgerungsprozess lang und kostspielig. Die Menschenrechtsorganisation «Humanrights» wirft der Schweizer Politik diesbezüglich «institutionell getragene Diskriminierung» vor. Auch in einer Analyse der Universität Luzern über die politische Inklusion der Wohnbevölkerung schnitt die Schweiz schlecht ab und landete von 20 Ländern auf dem zweitletzten Platz.

Zugleich zeigt eine Studie der ETH Zürich, dass Personen, die eingebürgert wurden, nach zehn Jahren deutlich stärker integriert sind als jene, die nicht aktiv an der Demokratie teilnehmen können.

Ein Prototyp mit Ausblick

«In einem neuen Land muss man ganz von Null starten und sich integrieren. Ein Teil der Demokratie zu sein, hilft dabei», stimmt auch Dilber Hasso zu, Pflegefachperson und Mitglied des Migrant*innenparlaments in Luzern. Sie kommt aus Nordsyrien und lebt seit achteinhalb Jahren in der Schweiz. Selbst abstimmen darf sie nicht, denn ihr fehlt der Schweizer Pass.

Wie will die neue Plattform hier eine Änderung bewirken? «Wir sind kein politischer Akteur», hält Schneider fest und ergänzt: «Das Forum4Inclusion soll in erster Linie den relativ abstrakten Diskurs über die mögliche Rolle der Technik in der Demokratie fördern». Deshalb lanciere der Verein auch keine Initiative, die eine Anpassung der Stimmrechte fordert. Wie und ob aus dem aktuellen Prototyp ein ausgearbeitetes Projekt wird, ist noch ungewiss. Für Schneider ist jedoch sicher, dass die Partizipation an unserer Demokratie neu diskutiert werden muss. 

Projekte wie das «Forum4Inclusion» beschäftigen sich mit dem demokratischen System der Schweiz. Hasso kann sich vorstellen, eine solche Plattform zu nutzen. «Es ist eine gute Möglichkeit, seine Stimme einzusetzen. Trotzdem setze ich mich weiter für unser Stimmrecht ein.»