Wie eine Uni-Party zum Albtraum wurde
Jemand hat an Halloween mutmasslich K.-o.-Tropfen in Drinks gemischt.
Filmriss, extreme Übelkeit und Paralyse – was ein sorgenfreier Abend sein soll, endet für zwei Studentinnen im Spital. Grund dafür: mutmasslich K.-o.-Tropfen im Getränk. Es kam zum sogenannten Spiking, bei dem einer Person ohne ihr Wissen Betäubungsmittel ins Getränk gemischt werden, an der diesjährigen Halloweenparty am Englischen Seminar.
Alle verkleidet, entspannte Stimmung, Getränke in offenen Bechern, keine Kontrollen: ein gefundenes Fressen für Personen, die Spiking beabsichtigen. Das Verzwickte: Was die Ursache für ihr schlechtes Befinden ist, ahnen die Betroffenen erst Stunden später im Spital. Die Ärzt*innen lassen sie wissen, dass Betäubungstropfen schnell nicht mehr nachweisbar sind und Tests meistens negativ ausfallen. So auch bei den beiden Studentinnen. Aufgrund der Symptome und Schilderungen geht das Krankenhaus jedoch davon aus, dass etwas im Drink gewesen sein muss.
Später rekonstruieren die Betroffenen mit ihrer Partygruppe den gesamten Abend. Sie haben sich am Anlass gewöhnlich verhalten, waren normal ansprechbar und wussten, welchen Zug sie für die Heimreise nehmen wollten. Doch dabei stellen sie fest: «Wir hatten zur genau gleichen Zeit ein Blackout.» Eine der Betroffenen sagt: «Zum Glück haben wir die Party in einer Fünfergruppe verlassen und waren nie alleine unterwegs. Daher wissen wir, wo und wann wir ein Blackout hatten und, dass nichts Schlimmes passiert ist.»
Fachverein fühlt sich hilflos
Eine Woche nach dem Vorfall gehen die beiden zur Polizei. Diese reagiert ihrer Empfindung nach empathielos – meint, es bringe nicht viel – doch sie nimmt den Fall auf. Den Studentinnen sei es aber wichtig gewesen, Anzeige zu erstatten, «auch wenn es Überwindung und Durchhaltevermögen gekostet hat». Schliesslich zählt Spiking als einfache Körperverletzung und ist somit strafbar. Wer die Tat begangen hat, bleibt im Fall der beiden Studentinnen im Dunkeln. Den Betroffenen fiel niemand Suspektes auf. Es seien zwar Personen dagewesen, die sie am Seminar noch nie gesehen hätten, aber die beiden Freundinnen hätten sich den ganzen Abend wohl gefühlt. Bis dann eben plötzlich «nichts mehr gegangen» sei.
Christina Ritter, Präsidentin des Fachvereins Anglistik (FAVA), zeigt sich betroffen: «Ich hätte nie erwartet, dass so etwas an einer unserer Partys passieren könnte. Ich finde es erschreckend, dass man nirgends mehr sicher ist.» Den beiden Studentinnen hat der FAVA ein offenes Ohr angeboten. Zudem haben sich die Studierendenvertreter*innen direkt mit dem Sicherheitsdienst der Universität in Verbindung gesetzt, um herauszufinden, ob weitere Fälle bekannt seien. Das Ergebnis ist noch offen.
Der Fachverein plant nun, mittels E-Mails zu sensibilisieren, fühlt sich aber dennoch etwas hilflos. Für geschlossene Getränke, in die niemand Substanzen leeren kann, hätten sie als kleiner Fachverein nicht das Budget und die nötige Logistik. Ritter möchte aber an künftigen Partys eine für die Sicherheit zuständige Person einteilen. Auch will sie einen Notfallplan für den Ernstfall erarbeiten.
Das Spiking-Problem ist nicht unbekannt. Kaum im Trinkalter angelangt, hören junge Menschen von allen Seiten, sie sollen ihr Getränk niemals unbeaufsichtigt lassen. Denn Spiking ist eine reale Gefahr an Festivals, in Clubs oder Bars. Doch nun haben die gefährlichen Tropfen ihren Weg bis an eine Studiparty im familiären Uni-Umfeld gefunden. Handelt es sich dabei um einen neuen Trend?
Kaum Fälle an Uni und ETH gemeldet
Von weiteren Fällen an der Uni habe Ritter zwar gehört, etwa am diesjährigen Geofest. Die Fachvereine wüssten aber von nichts. Ritter vermutet, dass sich einige Opfer nicht melden aus Angst, nicht ernst genommen zu werden. Am Englischen Seminar wurde laut einer der Betroffenen vonseiten des FAVA und der Geschäftsstelle des Departements gut reagiert: «Ich habe keine Standardantworten erhalten, sondern viel Empathie.»
Leo Liegel, Vorstand des Ressorts «Events und Projekte» beim VSUZH, weiss bisher von keinem Fall an seinen Events. Er sei sich der Gefahr jedoch bewusst und eine zuständige Kommission arbeite derzeit an einem Awareness-Konzept. Damit soll die Hemmschwelle für potentielle Spiker*innen angehoben und Personal sowie Gäst*innen sensibilisiert werden. Auch eine strenge Eintrittskontrolle könne helfen. Doch schliesslich könnten auch interne Leute und Studierende verantwortlich sein.
Oliver Klaus, Vorstand beim VSETH, sind keine Fälle an seinen Partys bekannt. Am Anmeldefest für die «Challenge EPFL – ETH» wurden dennoch Info-Plakate mit Auflistung möglicher Symptome von Spiking sowie «Cup-Condome» verteilt, eine Art Überzug aus Gummi für Trinkbecher. Zudem hat die ETH einen internen Notdienst, welcher schneller als die Ambulanz vor Ort sein kann.
Das Weitergeben von Awareness-Konzepten zwischen Studiverbänden könnte einen höheren Schutz an kleineren Events begünstigen. Auch wenn es sich gemäss VSUZH und VSETH offiziell um Einzelfälle handelt, zeigt der Vorfall am Englischen Seminar, dass Studipartys nicht immun sind gegen K.-o.-Tropfen. Die Studentin, welche es selbst erfahren musste, betont: «Aufeinander schauen und ein ‹Bisch guet dihei acho?› können einen grossen Unterschied machen.»