Radikales Wohlfühlen im Ausgang
Das Kollektiv F96 will das Zürcher Nachtleben diverser machen.
Es ist eine kalte Novembernacht. Im warmen Licht des Blutmonds, einer orangen Lichtscheibe, wird auf der Tanzfläche im Club Kauz ausgelassen zu elektronischen Beats gefeiert. Der Name dieses Events: «Radical Wellness Party». Er kommt von der Idee, im Club eine «Spaähnliche Erfahrung» für alle zu verwirklichen. Doch was bedeutet es, sich in einem Club «radically well» zu fühlen? Für das Kollektiv F96 bildet die Grundlage zu radikalem Wohlfühlen das Schaffen von Räumen, in denen sich unterrepräsentierte Gruppen aktiv einbringen können. Das Nachtleben diverser zu gestalten, vor allem mehr Frauen in die stark männerdominierten Sphären der Mischpulte und Veranstaltungsleitungen zu bringen – diese Vision stand am Anfang der Gründung von F96.
2019 nahmen zwei Studentinnen dieses Ziel in Angriff und erstellten eine Whatsapp-Gruppe. Kurz darauf fand das erste Treffen statt, in welchem Ideen festgehalten wurden. Bereits wenige Wochen später veranstaltete das sich eben erst formierende Kollektiv einen Event, bei welchem nicht nur DJ-Workshops stattfanden, sondern auch Lesungen, Filmscreenings und Vorträge.
Auf frewiliger Basis
Das Kollektiv wuchs schnell auf über 200 Personen, mittlerweile besteht ein aktives Kernteam aus rund 30 Mitgliedern, die ihre Arbeit auf freiwilliger Basis leisten. Die Einnahmen der Events dienen der Bezahlung von Eventpersonal und werden ausserdem in neue Projekte gesteckt.
Kurz nach Gründung des Kollektivs folgte im Herbst 2019 die erste «Radical Wellness Party» im Kauz. Hinter den Mischpulten stehen ausschließlich FINTA*-Personen (Frauen, inter, nonbinary, trans und agender), welche sonst stark unterrepräsentiert sind. Vor kurzem wurde nun bereits die dritte «Radical Wellness Party» veranstaltet, welche sich seit ihrer Premiere vor drei Jahren weiterentwickelt hat. Die Garage des Clubs wurde diesmal vom Team der Kampagne «Black People Are» kuratiert. «Black People Are» macht auf Rassismus im Nachtleben aufmerksam, mit dem Ziel, diskriminierende Strukturen aufzubrechen.
«Braveness» ist gefragt
Intersektionalität, also die Berücksichtigung verschiedener Arten von Diskriminierung und deren Überschneidungen (z.B. bei Schwarzen Frauen), sei bei F96 zwar «von Anfang an mitgedacht gewesen, braucht aber ein besonderes Augenmerk», so Patricia von F96. Der erste Impuls des Kollektivs sei der Genderaspekt gewesen, doch der Anspruch sei mittlerweile, die Arbeit aktiv intersektional zu gestalten. «Wir merken immer mehr, wo unsere Schwachstellen liegen, wo wir noch mehr machen könnten», erklärt Fanny von F96. «Das ist bei uns im Kollektiv eine Realität, dass fast alle weiss sind.»
Wie wird nun ein sicherer Ort zum Feiern sowohl für BIPoC (Black, Indigenous and People of Colour) als auch für FINTA* geschaffen? Zunächst müsse klargestellt werden, dass ein Safe Space eine Utopie ist, die nicht garantiert versprochen werden kann, meint Patricia. Laut F96 ist für die Schaffung von «Safer» Spaces wichtig, klare Manifeste zu einem Verhaltenskodex aufzustellen. Ausserdem gibt es Awareness-Teams, welche in kritischen Situationen helfen können.
Armelle von «Black People Are» betont jedoch vor allem das Konzept des «Braver Space», in welchem vordergründig auch bewusstes gemeinsames Lernen und Verbessern stattfinden soll. Hierfür sei es wichtig, «dass bei jeder Person im Raum von besten Intentionen ausgegangen werden kann, alle aufmerksam und rücksichtsvoll, aber gleichzeitig offen für Kritik sind.» In diesem Sinne, be brave!