Es soll ein Ort für alle sein: Das Maxim Theater an der Ernastrasse im Zürcher Kreis 4.

Den Ungehörten eine Bühne bieten

Das Maxim Theater will all jenen eine Stimme geben, die sich in der Schweiz wie Gäst*innen fühlen. Die Bühne soll für sie ein Ort der künstlerischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte sein.

Sarah Melillo (Text) und Gina Nipkow (Bild)
3. November 2022

Es ist Montagabend an der Ernastrasse im Zürcher Kreis 4. Die Sonne schimmert gebrochen in den mit weiten Fenstern ausgestatteten Raum und langsam trudeln die ersten Teilnehmenden des heutigen Kurses ein. Die Deutschlehrerin Susanne Koller und der Theaterpädagoge Daniel Koller gehen auf und ab, begrüssen die Eintretenden, während lockere Unterhaltungen die anfängliche Stille füllen. 

Die Stadt Zürich unterstützt das lokale Theater

«Spielend Deutsch lernen» nennt sich das wöchentliche Angebot des Maxim Theaters, das 2006 gegründet wurde und seither mit seiner inter- und transkulturellen Ausrichtung heraussticht. Spielend im Sinne von theaterspielend; sprechend, singend, schrillend. Das bildet den Kern des Kurses, der damit das praktische Erlernen der deutschen Sprache unterstützt. Der Kurs gehört zu einem der vielen Angebote des Theaters, wobei alle Veranstaltungen und Produktionen den Aspekt der Transkulturalität aufgreifen. Die Bühne des Maxims steht Menschen jeder Nationalität, jeden Alters und kulturellen Hintergrunds offen. Sie ist interdisziplinär und thematisiert in ihren Stücken gesellschaftlich relevante Themen, die oft von den Mitspieler*innen selber geäussert und eingebracht werden, wie Rassismus und Diskriminierung oder auch Einsamkeit. 

Das Maxim Theater wird seit neuestem von der Integrationsförderung und vom Sozialdepartement der Stadt Zürich unterstützt. Zudem konnte bis im April 2022 im Rahmen des städtischen Kredits «Austausch und Zusammenleben» das vierjährige Community-Building-Projekt Maxim und Co. in Seebach durchgeführt werden. Im Fokus stand dabei das Quartier mit seinen verschiedenen Vereinen, Gewerbetreibenden und Bewohner*innen sowie ihr Austausch untereinander. Veranstaltet wurden beispielsweise ein «Sprachkaffee», ein Treffen, um sich in gemütlicher Atmosphäre auf Deutsch über allerlei Themen auszutauschen. Auch «Geschichtenerzähl-Abende» wurden angeboten, wobei an verschiedenen Orten im Quartier Erlebnisse aus Seebach erzählt wurden. 

Bühne als Ort der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte

Ganz im Zeichen des diesjährigen Jahresthemas «Dekonstruktion von Rassismus und Diskriminierung» stehen auch die weiteren Angebote des Theaters. Die Atelierklasse «Mobiles Maxim» trifft sich im öffentlichen Raum und möchte schnell mit theatralen Mitteln auf aktuelle Themen reagieren können. Dabei wird diskutiert, was Menschen konkret bewege und wie dies szenisch umgesetzt werden könne. Auch das Projekt «Kulturguerilla» widmet sich diesen Fragestellungen: Die Teilnehmenden sollen ihre eigene Meinung und ihre Erfahrungen einbringen und das Theater mitgestalten. 

Claudia Flütsch, Gründerin und Geschäftsleiterin des Maxim Theaters erklärt, dass dies jedoch nicht immer einfach sei: «Viele Leute trauen sich gar nicht, ihre Meinung zu äussern. Sie denken, sie seien nur Gäst*innen in der Schweiz. Wir versuchen ihnen mitzuteilen, dass sie eine Stimme haben und Veränderungen in der Gemeinschaft herbeiführen können.» Die Bühne soll ein Ort der künstlerischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte sein. 

Gemeinschaftsgefühl durch Spiel und Improvisation

Ziel des Theaters ist es, ein individuelles Zugehörigkeitsgefühl in einem geschützten Raum zu generieren. Flütsch führt aus: «Wir haben den Kreis 4 gewählt, da hier das Zusammenleben von vielen Menschen und Nationen erprobt wird. Es sollte nicht nur ein Ort für Zugewanderte oder Geflüchtete sein, sondern für alle. Unsere Vision bestand darin, eine Gemeinschaft zu schaffen.» Da die Teilnehmenden bei Spiel und Improvisation aufeinander angewiesen seien, um eine Szene kollaborativ zu meistern, werde dieses Gemeinschaftsgefühl erzeugt.

Neue Szene. Die Schauspieler*innen stellen sich im Kreis auf, lauschen Kollers Worten und sprechen sie nach. Im Chor sind Zischlaute zu hören. Danach wird im Proberaum zusammen gesungen. Das Kurs-Semester hat eben gestartet und wird im Februar mit einer Werkschau abgeschlossen. Was bereits heute heraussticht: Die bunte Zahl an Dialogen und Möglichkeiten.