Stadtgeschichte oder die Geschichten der Stadt

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Leah Süss (Text und Bild)
28. Oktober 2022

«Die schweizerische Architektur hat fast überall etwas Niedliches, etwas Putziges (...), als möchte die ganze Schweiz (ausser wenn sie Staumauern baut) ein Kindergarten sein», schreibt Max Frisch 1953 über den damaligen Städtebau. Und effektiv, als Zürich 13 Jahre später einen herausragenden Betonblock einweihte, war der öffentliche Diskurs von Skepsis dominiert. Frisch zog jedoch schnurstracks in das Hochhaus ein, um die städtische Erfahrung der «flüchtigen Nachbarschaften» zu machen. So beginnt die Geschichte des Locherguts, einer Ikone der Zürcher Stadtlandschaft, die heute nicht mehr wegzudenken ist. Flüchtige Begegnungen, neue Gesichter, jede Ansammlung nach Sekunden wieder verflogen – spätestens wenn das nächste Tram einfährt. Das Lochergut; der Treffpunkt schlechthin. Es ist stets in Bewegung, und doch ist das Quartier heute ruhiger als zuvor: Bis 2009 diente die Badenerstrasse als Verlängerung der Stadtautobahn. Der gesamte Durchgangsverkehr preschte am Wohnhaus vorbei.

Eines ist sicher: Wer damals und heute im Lochergut lebt, hat das Privileg, vom Balkon aus das unermüdliche Treiben auf der Kreuzung mitzuverfolgen. Hinter jeder sich ergebenden Konstellation steckt eine kleine Geschichte. So bleibt das Lochergut eben doch der Mikrokosmos des Städtischen, den es einst für die ersten Bewohner*innen wie Frisch oder Pipilotti Rist verkörperte.