Kleider, Bilder und Krimskrams: Am Kreisflohmi verwandeln sich die privaten Wohnungen der Teilnehmenden in kleine Brockenstuben. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird Musik gespielt. Zoë Nogier

Der grosse Quartierbazar

Seit drei Jahren wird im Sommer in Zürich der Kreisflohmi veranstaltet, ein Quartieranlass, der mittlerweile den grössten kollektiven Flohmarkt Zürichs darstellt. Auch dieses Jahr konnte man in fremde Wohnungen hineinblicken. Der Kreisflohmi bringt neben Krimskrams aber auch Leben in die Stadtviertel.

13. Oktober 2022

Beim Schlendern durch den Flohmarkt im Kreis 5 war die Stimmung heiter und sommerlich. Offiziell war es ein Flohmarkt, aber es wirkte eher wie ein kleines Quartierfest. Denn im Unterschied zu herkömmlichen Flohmärkten erstreckt sich der Kreisflohmi über den ganzen Kreis – und die ganze Stadt. Die Stände sind bei den Verkäufer*innen zuhause. In ihrem Innenhof, Garten, Treppenhaus oder in der Wohnung selbst. Für jeden der zwölf Kreise ist ein Tag vorgesehen – meistens ein Samstag – an dem Neugierige durch die Wohnungen Fremder nach Schnäppchen wühlen können.

Die Standorte der Teilnehmenden werden auf einer Karte markiert, wodurch sich das Bummeln für Besucher*innen wie eine neuzeitliche Schatzsuche anfühlt. «Ein wichtiger Gedanke ist sicherlich, dass sich viele Türen in der Stadt öffnen und somit neue Orte im Quartier entdeckt werden können», erklärt Lena Aurea Schneider, die Gründerin des Vereins. Dazu komme natürlich der Aspekt der Nachhaltigkeit – dass Dinge in einen Kreislauf kommen, statt entsorgt zu werden. Für Schneider ist es aber vor allem ein wichtiges Tool, um zu erreichen, dass Menschen zusammenkommen und das Gemeinschaftsgefühl in den Häusern und Kreisen verstärkt wird. 

Projektwettbewerb der Stadt gewonnen

Die Anmeldung ist für Teilnehmenden kostenlos, man muss sich nicht mit anderen um den besten Platz streiten, die Sachen müssen nicht weit geschleppt werden und der ganze Gewinn bleibt bei den Verkäufer*innen. «Es geht auch darum, dass das Ganze niederschwellig bleibt. Jede*r soll mitmachen können», betont Schneider. 

Im Kreis 5 wurden einerseits wie üblich Kleider, Wohnutensilien, Bücher und viel Krimskrams verkauft, für jeweils sehr wenig Geld. Ich traf aber auch auf Künstler*innen, die ihre eigenen Werke verkauften, Kinder, die ihre alten Spielsachen schweren Herzens aufgaben oder WGs, die ihre selbstgestrickten Pullis weitergeben wollten, weil sie dafür schon lange keinen Platz mehr hatten. 

Letztes Jahr organisierte die Stadt Zürich zusammen mit der ZKB den Projektwettbewerb «Für Züri», bei dem sie einen Teil der Jubiläumsdividende zur Unterstützung städtischer Projekte bereitstellte. Aufgrund des ökologischen Schwerpunktes, der niederschwelligen Teilnahme und dem engen Bezug zu den Bewohner*innen der Stadt, gewann der Kreisflohmi als eines von 32 Projekten in der Kategorie «Klima und Umwelt». Der Preis war ein Jahresbudget von 21’000 Franken für die Jahre 2022 und 2023.

Flohmi für Quartierkonzert genutzt

Dank diesen Mitteln konnte dieses Jahr der Flohmi erstmals in allen 12 Stadtkreisen stattfinden. Das sei ein grosser Erfolg gewesen, meint Schneider, trotzdem reiche das Budget nicht aus, um langfristig für alle Kreise grössere Werbekampagnen zu lancieren, welche zur erhofften Sichtbarkeit des non-profit Projektes beitragen würden. Trotzdem besuchten den Kreisflohmi 2022 ein Vierfaches der Teilnehmenden: «Ich glaube bei diesem Projekt auch an den natürlichen Wachstum. Es ist meistens die Mund-zu-Mund-Propaganda, die bewirkt, dass immer mehr Leute mitmachen», so Schneider.

Am Röntgenplatz entdeckte ich jemanden, der seine überschüssigen Schallplatten loswerden wollte und diese Gelegenheit nutzte, um für die Nachbarschaft zu musizieren. Beim Löwenbräu wurde dieses Jahr das Schaufenster des Takeaways «Bahn mi» zum Flohmarkt umfunktioniert und im Kreis 1 gibt es jedes Jahr einen alten Militärbunker, der für den Anlass als Flohmarkt fungiert. Die Teilhabe am Kreisflohmi steigt und tatsächlich werden die Quartiere Zürichs für einen Tag etwas lebendiger.