An der ersten Ausgabe der Zurich Design Weeks konnten Jungdesigner*innen ihre Werke in kommerziellen Studios ausstellen. Leah Süss

Zürich will Designmetropole werden

Anfang September wird die erste Ausgabe der Zurich Design Weeks lanciert. Im Fokus stehen auch Jungdesigner*innen und deren Kreationen.

21. September 2022

Die Coronazeit hat die Designszene hart getroffen. Und Ende 2020 geht ein etablierter Anlass, der Designers’ Saturday in Langenthal, ein. So entsteht nach 33 Jahren erstmals ein Vakuum im engmaschigen Design-Kalender der Schweiz. Eine Lücke, die nun durch die Zurich Design Weeks gefüllt wird.

Hinter dem dreiwöchigen Festival steckt ein Pilotprojekt-Team, an dessen Spitze stehen Verantwortliche der Design Biennale Zürich und des Archithema Verlags. Sie werden dabei massgeblich durch die Stadtentwicklung Zürich unterstützt.

Fünf Institutionen vereint

Laut Gabriela Chicherio, Mitgründerin und Geschäftsführerin der Zurich Design Weeks, biete Zürich hohes Potenzial für Designschaffende. «33 Prozent der Kreativwirtschaft der Schweiz sammelt sich im Grossraum Zürich», so die Zürcher Produktdesignerin. Die Veranstaltung solle die brancheninterne und -externe Vernetzung ankurbeln.

Für die erste Ausgabe des Festivals haben sich fünf bestehende Institutionen zusammengeschlossen: das Digital Festival, Hack Zurich, die Mode Suisse, Neue Räume 22 sowie das Museum für Gestaltung. Im Rahmen der Veranstaltung fand etwa Europas grösster Hackathon statt, eine Lichtinstallation aus Lausanne beleuchtete die Strassen und an allen 150 Plakatsäulen der Innenstadt wurden Plakate von lokalen Grafiker*innen angebracht.

Im Vergleich zu etablierten Designstandorten wie London, Helsinki oder Wien fehlten in Zürich gemäss Chicherio freie Flächen: «Andere Designanlässe können Zwischennutzungen oder brachliegende Industriegebiete als Festivalzentralen nutzen – das ist in Zürich fast unmöglich.» Nun dient das Museum für Gestaltung als Hauptstandort der Veranstaltung.

Partizipation und Förderung zentral

Die Design Weeks wollen aber in der ganzen Stadt präsent sein. Die Veranstalter*innen locken etwa mit dem Workshop «Josef sitzt» auf die Josefwiese, wo Teilnehmer*innen Sitz-Visionen im Mini-Format gestalten können, die dann ab Ende Jahr im Museum für Gestaltung ausgestellt werden.

Zudem ist die Förderung von lokalen Kreativschaffenden ein Ziel des Anlasses. So wurde auch der Kunstmarkt der Vereinigung «Support Your Local Artist» im Karl der Grosse im Namen der Design Weeks veranstaltet. Dort boten Schweizer Künstler*innen ihre Werke zum Verkauf an – Keramiken, Grafik sowie Sticker-Art und Satire-Comics.

Die Organisator*innen der Design Weeks selbst ermöglichten ausgewählten Absolvent*innen von Schweizer Hochschulen, ihre Abschlussprojekte öffentlich auszustellen. Dafür wurden sie mit kommerziellen Designstudios vernetzt. Das Resultat: Keramikwerke in einem Schaufenster, iPads und Kopfhörer in einer Ladenecke und Speculative Design in einem Möbel-Showroom.

In Zürcher Studios trafen Interessierte auf die Werke junger Designschaffenden. Leah Süss

Im Schnittpunkt von Design und Politik

«Wann fühlst du dich unsicher? Wer schützt dich im öffentlichen Raum? Hat deine Sicherheit einen Preis?», lauten die provokativen Fragen des Projekts «Re Act», der Bachelorarbeit von den zwei Industriedesign-Absolventinnen der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) Ava Toyloy und Eileen Good. Ihre Kollektion von Selbstverteidigungsartikeln suggeriert tragbare Sicherheit: Der eigene Stresspegel wird gemessen, um bei Bedarf zum Beispiel Elektroschocks auszulösen. «Unsere fiktive Marke verspricht die absolute Sicherheit», erklärt Good, «doch wenn ich das Gefühl habe, sicher zu sein, macht mich das sicherer oder unsicherer? Welche Abhängigkeiten entstehen, wenn wir die Verantwortung an die Technologie abgeben?»

Toyloy meint, es sei problematisch, wenn aus Angst ein Absatzmarkt entstünde, doch gleichzeitig sei das Gefühl auch legitim. «Von der Formensprache her könnte Re Act ein Subbrand von Muji und Nike sein. Wir wollten damit die Rolle von kommerziellen Playern thematisieren.»

Critical Design in einem Studio für Designermöbel auszustellen, scheint in sich selbst ein Widerspruch: «Besucher*innen fragen uns oft: Ist das jetzt Kunst oder Design? Sie nehmen dabei an, dass Design kaufbar sei», erzählt Good. Da ihr Showroom nicht direkt bei der Festivalzentrale ist, kommen vor allem Passant*innen vorbei, was ihnen erlaube, aus dem Museumskontext auszubrechen. Schliesslich fand im Rahmen der Ausstellung sogar ein Workshop mit der Initiantin der städtischen Kampagne «Zürich schaut hin» statt. Dabei wurde die neu entwickelte App der Stadt vorgestellt, auf der Belästigungen gemeldet werden können. So treffen laut Good zwei Welten aufeinander. «Wir wollen herausfinden: Wie kann Design politisch sein?»

Zielpublikum ist die breite Öffentlichkeit

Auch Elay Leuthold, der an der ZHdK Cast und Audiovisual Media studiert hat, konnte sein Bachelorprojekt ausstellen. Seine dreiteilige Webserie «Gegenwelten» dokumentiert Dialoge zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Sexualität, Religion und Einstellungen. Als Schauplatz wurde ihm ein schickes Designerstudio im Kreis 4 zugeteilt.

Doch für Leuthold ist es genau der richtige Ort: «Das Filmsetting habe ich extrem simpel gestaltet, dort gibt es neben den Protagonist*innen nur Stühle.» Somit sei das minimalistisch gestaltete Studio ein passender Ausstellungsraum. Künftig würde er seine Arbeit jedoch gerne an einem öffentlichen Platz zeigen, um auch Menschen zu erreichen, die nichts mit Design am Hut hätten, fügt Leuthold an.

Für Chicherio zeigen insbesondere die Arbeiten mit gesellschaftlichem Fokus der Jungdesigner*innen, dass Design mehr als ein Verschönerungshandwerk sei. «Bereits junge Menschen sollten ein gutes Designverständnis haben. Denn Design wird zentral sein, um die Probleme der Zukunft zu lösen!» Um dies zu fördern, wünschte sie sich eine spezielle Design Week für Kinder. Vorerst müsse sich die Veranstaltung jedoch etablieren.

«Unser Ziel ist es, so selbstverständlich zu werden wie das Zurich Film Festival», sagt Chicherio. Ob dies gelingt, zeigt sich in den nächsten zwei Jahren, in denen die Finanzierung durch die Stadt Zürich sichergestellt ist.