Sumanie Gächter

Selbstreflexion aus dem Alltag

Kolumne

4. April 2022

Psychohygiene — Besonders viele Alltagsbeobachtungen oder -analysen habe ich in letzter Zeit nicht gemacht, ich war viel mehr mit dem Newsticker beschäftigt. Doch ich kann über etwas berichten, was mir und wahrscheinlich auch vielen anderen in Zeiten wie diesen hilft: Tagebuch schreiben. Das tue ich seit bald 10 Jahren fast jeden Tag. Mal über ernste Themen, wie den Krieg in Europa, mal über belanglose Schwärmereien, über zurückliegende Ferien und manchmal versuche ich auch nur vergangene verrückte Abende wiederzugeben. Mir persönlich hilft es, meine Gedanken zu ordnen und so näher bei mir selbst zu sein. Dies bestätigt auch die Psychologie. Es entlaste die Seele, sei ein Prozess des Loslassens und man gewinne Distanz von Erlebtem und Gefühlen und eröffnet sich somit neue Perspektiven.

Und nebst eigener Psychotherapie-Erfahrung hat 10-jähriges Tagebuch schreiben noch einen weiteren grossen Vorteil: Es gibt unglaublich viele peinliche Einträge. Pünktlich zur Invasion der Ukraine haben meine Mitbewohner und ich alle zusammen Corona aufgelesen und uns die Isolation und die allgemein unangenehme Situation in Europa mit zu viel Wein und dem Durchstöbern meiner alten Tagebücher versüsst. Die Blamage war gross, das Lachen allerdings noch grösser und lauter. Es wird wohl leider nicht die letzte Krise auf der Welt sein, darum empfehle ich allen Leser*innen, jetzt die Stifte in die Hand zu nehmen und sofort loszuschreiben. In zehn Jahren wird man wahrscheinlich dankbar dafür sein und sich an dem einen oder anderen Eintrag als willkommene Alltagsablenkung erfreuen.