200 Stunden für eine Geige
Im Familienbetrieb «Rast Geigenbau» brachten schon Stargeiger*innen ihre Stradivari vorbei.
Seit 1977 ist «Rast Geigenbau» in der charmanten Mühle am Stadtrand in Hottingen zu finden, wo Hans Peter Rast nicht nur Streichinstrumente aller Art herstellt, sondern auch selber wohnt. Der 87-Jährige wollte nicht immer Geigenbauer werden. Erst mit 14 Jahren begann Rast Cello zu spielen. Um Cellist zu werden, war er damit aber schon zu alt und er hätte keine Chance gehabt. Darauf entschied sich Rast, seiner anderen Leidenschaft zu folgen, nämlich dem Geigenbau. Die Erfüllung dieses Traums verzögerte sich jedoch, wie er erzählt: «Mein Vater bestand darauf, dass ich Lehrer werde.» Er besuchte deshalb zuerst das Lehrerseminar in Küsnacht, bevor er Geigenbauer wurde. Die Lehre absolvierte er bei seinem Onkel Adolf König, von dem er ursprünglich zum Geigenbau inspiriert worden war. Nach der Lehre und einem weiteren Jahr Ausbildung zum Bogenmacher, verbrachte er seine Gesellenjahre in Stockholm und Bern.
Das Handwerk wird weitervererbt
Rasts Traum erfüllte sich dann 1969 mit der Gründung seines eigenen Geschäfts. Acht Jahre lang war «Rast Geigenbau» an der Streulistrasse beim Römerhof ansässig, danach zog das Geschäft mit der damals sechsköpfigen Familie in die 500-jährige Mühle: «Das war ein Glücksfall, dass wir das Haus gefunden haben. Das heisst: das Haus hat uns gefunden», erzählt Rast lachend. Damit habe er sein Lebensziel erreicht: am gleichen Ort wohnen und arbeiten.
Hier gab der Kunsthandwerker sein Können auch weiter und bildete fünf Geigenbauer aus, darunter seine beiden Söhne Felix und Kaspar Rast. Felix Rast stieg 1991 in den Familienbetrieb ein und ist seit 2000 auch Inhaber. Im Jahr 2015 übernahm er das Geschäft dann ganz. Obwohl Hans Peter Rast pensioniert ist, unterstützt er das Team immer noch mit seiner langjährigen Erfahrung. Die Passion fürs Geigenbauen konnte er so nicht nur an seine Söhne vererben, sondern auch an seinen Enkel. «Auch der Sohn meiner Tochter möchte Geigenbauer werden», erzählt Rast zufrieden. «Ich bin sehr glücklich, dass das Geschäft in der übernächsten Generation in der Familie bleibt.»
Arbeiten wie vor 500 Jahren
Trotz vieler Veränderungen in den letzten 53 Jahren, wie der Digitalisierung und der Aneignung neuer Maschinen, ist das Handwerk im Geigenbau das gleiche geblieben: «Wir arbeiten fast wie vor 500 Jahren», sagt Rast. «Eine Geige zu bauen braucht 200 Stunden.» Die Geige ist auch das Instrument, welches er am liebsten herstellt: «Sie ist die Königin aller Instrumente und auch am schwierigsten zu spielen.» Nebst Cello spielte Rast auch Kontrabass, Violone, Gambe und Klavier und war 27 Jahre lang Mitglied des Neumünster-Orchesters. Im Gegensatz zu anderen Geigenbauer*innen, die sich auf etwas spezialisieren, deckt Rast Geigenbau viele Aspekte ab: alle Streichinstrumente und die verschiedenen Spezialisierungen, Verkauf, Handel, Reparatur, Restauration und Bogenbau.
Damit hat er Erfolg. Rast Geigenbau zieht Kund*innen von überall an. Auch ganz Grosse besuchen das Geschäft. Rast erzählt, dass eine seiner schönsten Erinnerungen der Besuch des berühmten russischen Geigers Maxim Vengerov war, der seine Stradivari zu Rast in die Werkstatt brachte. Auch Vladimir Spivakov, ein anderer berühmter russischer Geiger, war schon Kunde bei Rast Geigenbau. Auf die Frage, ob Rast schlechte Erfahrungen im Geigenbau gemacht habe, antwortet er lachend: «Ich habe nur gute Erinnerungen hier.»