Designerlabel lassen uns glauben, etwas Besseres zu sein. Jan Bolliger

Hauptsache Marke, Hauptsache teuer

Weshalb ich auf Marken stehe, obwohl ich es eigentlich besser weiss.

1. März 2022

Ich bin ein Modeopfer. Anders lässt es sich kaum erklären, dass ich online und auf dem Flohmarkt Ausschau halte nach Designerklamotten. Zum Beispiel nach dem braunen Prada T-Shirt, welches ich für zehn Franken gefunden habe. Wäre da nicht klein «Prada» auf dem Etikett gestanden, hätte ich das nie gekauft. Doch jetzt besitze ich ein unifarbenes Shirt, das neu mindestens 100 Franken gekostet hätte, und fühle mich gut. Das ist mir etwas peinlich, doch scheine ich damit nicht alleine zu sein.

Luxus-Mode boomt. Die Aktie von LVMH, dem grössten Luxuskonzern der Welt, zu dem unter anderem Louis Vuitton, Dior und Fendi gehören, hat in den letzten fünf Jahren um fast 260 Prozent zugelegt. Aber auch Secondhand-Luxusläden schiessen wie die Pilze aus dem Boden. Social Media wird geflutet mit Angeboten für abgetragene Lacoste-Pullover. Die Nachfrage nach Krokodilen, Polospielern und gestickten Grossbuchstaben auf der Brust scheint also gross zu sein. Doch weshalb eigentlich? Die Erklärung, dass man mit Markenkleidern zeigen will, wie viel Geld man sich hart erarbeitet hat, beziehungsweise wie viel man davon unnötig verbrennen kann, scheint zu kurz zu greifen. Wer eine Versace-Jacke im Brockenhaus findet, gibt meistens noch damit an, wie günstig die war.

Selbsttäuschung und Schadenfreude

Die Bedeutung von Designernamen hängt eng mit dem technischen Fortschritt zusammen. Jahrhundertelang waren Kleider von hervorragender Qualität und aus exquisiten Materialien begehrt. Mit der fortschreitenden Industrialisierung nahm die Durchschnittsqualität jedoch stetig zu. Um herauszustechen, mussten Kleider zu Beginn des 20. Jahrhunderts deshalb mit Kreativität und Design punkten. Luxusmode bestand in erster Linie aus Haute Couture, aufwändigen Einzelstücken. Die Hinwendung zu praktischer Mode nach den beiden Weltkriegen und mehr Massenproduktion führte jedoch zu einer weiteren «Demokratisierung des Luxus». Qualitativ hochwertige, modische Kleider waren nicht mehr der obersten Schicht vorenthalten, sondern auch der Mittelstand konnte und wollte sich das leisten. Modehäuser konnten nun aber nicht mehr alleine durch ihre Designs herausstechen. Auch diese konnten von Maschinen schnell und günstig übernommen werden. Sie brauchten neue Mittel, um gegen die Konkurrenz bestehen zu können. Die Lösung lag im Branding und dem Verkaufen einer Erfahrung anstatt nur eines Dings, wie Pamela Danzinger es in ihrem Buch über Luxus-Marketing nennt.

Wer sich eine Levi’s-Jeans kauft, kauft nicht einfach nur eine solide Hose, sondern auch gleich die Abenteuer des ganzen Wilden Westens. Dieses Image wird von den Marken sorgfältig gepflegt und teuer erkauft. Um zu unterstreichen, was für wertvolle Kunstwerke Louis-Vuitton-Taschen sind, mietet der Konzern auch mal den Louvre. Doch die Taktik geht auf. Mittlerweile wissen wohl die meisten, dass Markenkleider in den gleichen Fabriken in China und Indien hergestellt werden wie Discounterware. Das meist zu Hungerlöhnen und unter gefährlichen Bedingungen, von der Umweltbelastung ganz zu schweigen. Dennoch verbinden wir gewisse Labels mit dem Versprechen, etwas Spezielles zu sein. Dazu kommt die Schadenfreude, ein Kleidungsstück zu tragen, das eigentlich nicht für Leute mit einem Studibudget wie meinem gemacht wurde. Und deshalb lässt sich das Gefühl, im Flohmi-Prada-Shirt herumzulaufen, halt doch am besten mit den Worten eines modernen Klassikers beschreiben: Leider geil.