Die Uni setzt auf Überwachung
Eine neue Prüfungs-Software wird beschafft. Sie hat jedoch ihre Schattenseiten.
Onlineprüfungen wurden in der Pandemie zwangsweise zur Norm. Diese werden die Aufhebung der Massnahmen wohl überdauern. Denn die Hochschule beschafft sich gerade ein neues digitales Prüfungssystem. Welche Software die Uni kauft, wird Mitte März bekanntgegeben, derzeit läuft noch das Ausschreibungsverfahren. Sie soll technisch leistungsfähiger sein als die Plattform OLAT, auf der bisher die Onlineprüfungen an der Uni durchgeführt wurden. Welche neuen Funktionen sie mitbringen wird, könne jedoch aus «beschaffungsrechtlichen Gründen» noch nicht kommuniziert werden, so die Hochschule. Blickt man aber auf die Änderungen des Universitätsgesetzes, lässt sich vermuten, dass mit der Software unter anderem eine stärkere Überwachung der Studierenden bei Onlineprüfungen möglich gemacht werden soll.
Noch keine gesetzliche Grundlage
Im Juli 2021 wurde vom Universitätsrat eine Teilrevision des Universitätsgesetzes abgesegnet, die vorsieht, «dass die Studierenden während der Erbringung von Leistungsausweisen elektronisch überwacht werden können, damit ihre Identität festgestellt und unlauteres Verhalten verhindert oder aufgeklärt werden kann», wie die Medienstelle der Uni erklärt. Dies beinhaltet Folgendes: Bild- und Tonübertragungen im Rahmen der Prüfungsaufsicht, Aufzeichnungen von Bild und Ton sowie die Verwendung nutzungseinschränkender Softwareprogramme. Aufzeichnungen müssten aber gelöscht werden, sobald die Bewertung des Leistungsnachweises rechtskräftig und ein allfälliges Disziplinarverfahren abgeschlossen ist, heisst es weiter. Die Vorlage ist zurzeit noch bei der Bildungsdirektion hängig, danach kommt sie vor den Kantonsrat.
Bis dahin gibt es bereits eine provisorische Rechtsgrundlage. Durch die vorübergehende Rahmenverordnung über die Durchführung von Online-Prüfungen an der Hochschule, die seit dem 1. Januar 2021 in Kraft ist, sind die genannten Methoden an der Uni bereits zulässig. Diese wurden aber nur vereinzelt genutzt, da bisher die dafür geeignete Software fehlte. Nur an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sieht dies anders aus.
Wirschaftsfakultät prescht vor
Diese schlug vor rund zwei Jahren einen eigenen Weg ein: Damals entschied man sich dazu, «eine innovative Prüfungssoftware zu pilotieren, die mehr und neue Fragetypen unterstützt», so Prof. Uschi Backes-Gellner, Vize-Dekanin der Fakultät. Um Prüfungsbetrug zu verhindern, habe man als zusätzliche technische Neuerung den Safe Exam Browser der ETH implementiert und sich an der Weiterentwicklung beteiligt. «Diese Software kann den Zugriff auf Informationsquellen individuell je nach Prüfung steuern und die Prüfungsaufsicht sicherstellen», so Backes-Gellner weiter. Anders gesagt bedeutet dies, dass die Uni während einer Prüfung bestimmen kann, welche Funktionen man auf dem eigenen Computer benutzen kann, und gleichzeitig die zu prüfende Person in der privaten Umgebung beobachten kann. Dieses Pilotprojekt ist noch immer im Gange. Gemäss Recherchen der ZS wird bereits darüber diskutiert, den selber konzipierten Safe Exam Browser in anderen Fakultäten anzuwenden.
Spricht diese dezentrale Selbstorganisation der Fakultäten nicht gegen die geplante gesamtuniversitäre Anschaffung? Balthasar Eugster, Mitglied des Projektteams E-Assessment der Uni, meint: «Die Fakultäten sind bei der Entscheidung, eine gewisse Software zu benutzen, frei.» Er betont, dass die Anforderungen der Fakultäten an ein Prüfungssystem sehr unterschiedlich seien, weswegen nicht alle spezifischen Bedürfnisse durch eine Software abgedeckt werden können.
Man rechnet zum Beispiel damit, dass OLAT künftig weiterhin als Prüfungssoftware eingesetzt wird. Für die Studierenden kann dies somit bedeuten, sich in Zukunft mit verschiedenen Softwares vertraut machen zu müssen. Ein zusätzlicher Stressfaktor, gerade wenn es um Leistungsnachweise geht. Insgesamt findet Eugster aber: «Es hat viele Vorteile, wenn nicht jede Fakultät eine eigene Software anschafft.» So wird zum Beispiel eine gesamtuniversitär zugängliche Software zentral «supported», also mit verschiedenen flankierenden Dienstleistungen angeboten.
Strengere Leitlinien gibt es hingegen an der ETH: Dort wird intern vorgegeben, dass wichtige Prüfungen im Studium, trotz Pandemie, stets vor Ort durchgeführt werden sollen. «Dies, um grösstmögliche Fairness und eine qualitativ hochstehende Leistungskontrolle zu gewährleisten», wie die Medienstelle der ETH schreibt. Gewisse Leistungskontrollen könnten jedoch auch online durchgeführt werden. In diesem Fall werde aber den Dozierenden empfohlen, wenn möglich auf «Open Book» zu setzen und möglichst offene Frageformen zu wählen. Aufzeichnungen von Bild oder Ton bei Prüfungen sind an der ETH nicht zulässig.
Privatsphäre kommt zu kurz
Zudem wird auch keine Überwachungssoftware eingesetzt. «Video-Aufzeichnung können zu zusätzlichem psychischem Stress bei den Studierenden führen, den wir vermeiden möchten. Darüber hinaus finden wir es in Bezug auf die Privatsphäre der Studierenden unangemessen, sie in ihrem Zuhause mehrere Stunden lang per Video aufzuzeichnen, zumal sie oft nicht alleine wohnen», so die ETH weiter.
Wie dies dann an der Uni mit der neuen Software gehandhabt werden soll, wird sich noch zeigen. Zumindest für den Moment ist der rechtliche Rahmen durch die «bis auf weiteres» bestehende Rahmenverordnung gesetzt und lässt in puncto Eingriffe in die Privatsphäre der Studierenden erstaunlich viel zu. Über die anstehende Teilrevision des Unigesetzes wird der Kantonsrat entscheiden.
Bis dahin scheint das Thema wenig zu interessieren – über die anstehende Neuanschaffung der Universität wird keine Debatte geführt. So heisst es auch vom VSUZH: «Von unserer Seite gibt es keine expliziten Forderungen an eine Prüfungssoftware. Für uns stehen der tatsächliche Einsatz der Software, die Gestaltungen der Prüfungen und die Prüfungsmodalitäten im Zentrum.» Der Einsatz könnte schon sehr bald folgen: Geplant ist, dass die neue Prüfungsumgebung bereits ab dem Herbstsemester dieses Jahres genutzt werden kann.