Der Ideaspace im Student Project House auf dem Areal der ETH Hönggerberg lädt Studierende zum Tüfteln ein. Anastasiia Ruzhanskaia

Eine Ideenwerkstatt am Hönggerberg

31. Januar 2022

Das erste Student Project House (SPH) wurde 2016 auf dem ETH-Campus Hönggerberg als ein Teil des «Critical Thinking»-​Jahresprogramms eröffnet. Im Rahmen eines Pilot-Projektes wurde Studierenden auf einem Stock Platz für eigenständige Ideenverwirklichung angeboten. Das Projekt war schnell erfolgreich und die Nachfrage gross. 2021 hat nun ein neues Gebäude seine Türen geöffnet und bietet Arbeitsplätze auf mehreren Stockwerken an. Aktuell werden die 75 Maschinen von 2500 Studierenden genutzt. Bereits 100 Projekte wurden verwirklicht. An was arbeiten da die Studis?

Das SPH bietet die Möglichkeit, Ideen an diversen Maschinen eigenständig umzusetzen oder an potentiellen Startups zu arbeiten. Entsprechend werden die Arbeitsplätze «Makerspace» und «Ideaspace» genannt. Im Ideaspace wird in Gruppen an Projekten getüftelt. Der Makerspace dient der Umsetzung. In den Maschinenräumen dürfen nur Studierende der ETH arbeiten, während von den Ideaspace-Gruppen mindestens ein Mitglied an der Technischen Hochschule eingeschrieben sein muss.

Das Gebäude hat einen klaren Aufbau. Alle Maschinen befinden sich im Erdgeschoss. Beim SPH sind mehr als zwanzig verschiedene Arten von Maschinen verfügbar. Darunter Metallschneider, ein Gerät zum Drucken von Leiterplatten, eine Bohrmaschine, eine Holz- und Kunststoffschneide und eine Graviermaschine. Sie alle sind auf der Projektwebseite aufgelistet und mit den Anleitungen verlinkt. Der erste Stock ist als Pausenraum gedacht. Zwischen dem ersten und zweiten Stock können Ideen präsentiert werden – auf einer grossen Treppe mit vielen Kissen. Der vierte und fünfte Stock ist voller Arbeitsplätze und Whiteboards für die Studierendenteams. Die Terrasse im fünften Stock bietet einen wunderbaren Ausblick sowie weitere Arbeitsplätze.

Freier Zugang zu Coaching und Infrastruktur

Für langfristige Projekte gibt es die Möglichkeit, eine*n Coach*in anzufordern. «Das ist kein*e Manager*in, der oder die den Fortschritt überwacht, sondern eine Person, welche immer einen Rat geben, eine Idee mitgestalten und auf dem Weg zum Startup helfen kann», sagt die Leiterin der Abteilung Kundenerfahrung, Justyna Wojewoda-Chakraborty. «Die Coaches versuchen, einen Teil der Gemeinschaft zu sein und teilen oft den Arbeitsplatz mit den Studierenden». Sie werden den Teams von SPH-Manager*innen auf Grundlage eines Gesprächs zugewiesen. Zusätzlich zu den Coaches werden auch Expert*innen-Schulungen angeboten. «Dies ist ein Netzwerk von Expert*innen, das über Geschäft-, Recht-, Produktmanagement, Marketing, Branding, und UX berät», erklärt Wojewoda-Chakraborty. «Wir organisieren auch Schulungen zur Projektentwicklung», so die Abteilungsleiterin.

Das SPH bietet eine finanzielle Unterstützung von bis zu 400 Franken pro Semester für die Ideaspace-Teams. Makerspace-Mitglieder sollen kleine und private Projekte durchführen, und erhalten darum keine Unterstützung. Obendrauf haben alle Mitglieder Zugang zum Materialshop mit reduzierten Preisen. Die Coaches unterstützen die Studierenden dabei, zusätzliche Finanzmittel zu finden. Das SPH wird hauptsächlich durch die ETH finanziert, dazu kommen jedoch verschiedene private Partnerinstitutionen wie Franke, Bosch oder Intecag, sowie verschiedene Stiftungen, die das gesamte SPH oder spezifische Teile finanzieren.

Die SPH-Mitglieder lernen in Kursen, wie die Ausrüstung genutzt wird. Haben sie ein Tutorial zu einer bestimmten Maschine absolviert, erhalten sie Zugang dazu. Ideaspace-Mitglieder haben rund um die Uhr Zugang zum Gebäude und den meisten Maschinen. Dafür müssen sie zusätzlich an einem Training für Notfallsituationen teilnehmen.

Viele Projekte zur Nachhaltigkeit

Am SPH sind neben rein technischen Experimenten bereits viele Projekte entstanden, die etwa zur Verbesserung der Nachhaltigkeit beitragen wollen. «Bottle+» ist eine wiederverwendbare Flasche, die Mineralwasser mit Kohlensäure versieht. Das Projektteam von «Smartbreed» entwickelt eine Zuchtlösung für Heuschrecken. Dadurch sollen Lebensmittelabfälle verringert und die Umwelt entlastet werden, denn Heuschrecken tragen dazu bei, lokale Kreisläufe nachhaltig zu schliessen, indem sie faserreiche, lokale und ungenutzte Agrarebenprodukte in hochwertige Proteine umwandeln. Ein weiteres Projekt, «Pleasant Plants», ermöglicht mittels handlichen Gärten im Kastenformat einen zeit- und ortsunabhängigen automatisierten Pflanzenanbau mit wenig Abfall.

Jenny Held und Alexander Smirnow, das Gründer-Duo von «Pleasant Plants», schätzen die beflissene Atmosphäre vor Ort. «Überall arbeiten Leute an interessanten Projekten. Der Raum ist voll mit Maschinen und Prototypen». Zudem seien die Coaches und Makerspace-Manager stets hilfreich und enthusiastisch. Das Studierendenteam meint: «Der Makerspace ist sehr wichtig für uns, weil wir viele Maschinen benutzen, um Prototypen und echte Maschinen zu bauen». Die Materialien, die das Projekt benötigt, würden zur Verfügung gestellt und das Student Project House helfe, auch eigene Materialien zu verarbeiten. Bei «Pleasant Plants» würden vor allem Laser, Bandsägen und Bandschliefer benötigt, um etwa mit Holz zu arbeiten. Das Projekt wird mit den 400 Franken pro Semester vom SPH finanziert, zudem werden die erarbeiteten Systeme bereits von Kund*innen gekauft.

Brutstätte von ETH-Spinoffs

Die Projekte wachsen und einige sind bereits ziemlich erfolgreich: «Bottle+» hat mittels Crowdfunding 170'000 Franken für seine Idee gesammelt. «Selbst bei einem solchen Erfolg können die Team-Mitglieder die Räumlichkeiten des SPH noch bis zu einem Jahr nach Studienabschluss nutzen», so Wojewoda-Chakraborty. Einige Projekte würden aber bereits zu eigenständigen ETH-Spinoffs, etwa das Projekt «Yasai», das einen Vertical Farming-Service anbietet.

Das SPH bietet Studierenden eine Möglichkeit, sich ausserhalb des Studiums mit eigenen Ideen zu befassen. Es wird spannend sein, zu sehen, welche langfristigen Projekte daraus entstehen werden.