Die Uni und die ETH bieten Gratistests für ungeimpfte Studierende und Mitarbeitende an. Diego Bolliger

Erstes Semester mit Zertifikat: ein Rückblick

Von mangelnden Kontrollen, einer uneinheitlichen Maskenpflicht, Speichelproben und Zertifikatsgegner*innen in Telegramchats.

6. Dezember 2021

Nach drei Semestern Online-Lehre durften die Zürcher Hochschulen im September den Präsenzbetrieb wieder hochfahren. Für die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen müssen die Studierenden allerdings ein gültiges Covid-Zertifikat vorweisen. Diese Massnahme wurde zu Beginn des Semesters kontrovers diskutiert. Zudem standen die Hochschulen aufgrund mangelnder Zertifikatskontrollen in der Kritik. Wo stehen die Universitäten im Pandemie-Management heute? Im September informierte der Bundesrat über die Ausdehnung der Zertifikatspflicht. Den Universitäten überliess er jedoch die Entscheidung über deren Einführung. Die Uni Zürich und die ETH entschieden sich dafür. Der Verzicht auf die Zertifikatspflicht hätte zur Folge gehabt, dass nur noch zwei Drittel der Raum-Kapazitäten hätten belegt werden können. «So hätte man einen Drittel der Studierenden ausschliessen müssen», erklärt Beat Müller von der Medienstelle der Uni. Ein grösserer Teil der Studierenden wäre betroffen gewesen als bei der Einführung der 3-G-Regel. An beiden Hochschulen geht man internen Umfragen zufolge davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Studierenden geimpft sind.

Uni und ETH setzen Coronapass ein

In einem Interview mit der NZZ sagte der Uni-Rektor Michael Schaepman, dass sich die Universität eine andere Lösung als die Zertifikatspflicht gewünscht hätte. Er sei lange davon ausgegangen, dass der Bund einen vollen Präsenzbetrieb ohne Zertifikat, dafür mit Maske zuliesse. Mit den getroffenen Begleitmassnahmen sei aber der Zugang zur Bildung für alle nach wie vor gesichert. Die Studierendenverbände der Uni sowie der ETH begrüssten die Zertifikatspflicht. Auch die Rückmeldungen von Studierenden seien grösstenteils positiv. Allerdings wurde gefordert, dass die Tests kostenlos bleiben. So würde niemand von den Veranstaltungen ausgeschlossen werden.

Dieses Anliegen wurde von den Hochschulen aufgegriffen. Bis Ende Semester können sich Personen ohne Zertifikat kostenlos testen lassen. «An der ETH gibt es PCR-Speicheltests, ein ETH-internes Angebot sowie Antigen-Schnelltests», informiert die Medienstelle der ETH. Bei einem negativen PCR-Test erhält die Person, im Gegensatz zu einem Antigen- Schnelltest, kein offizielles Covid-Zertifikat, aber 72 Stunden lang Zugang zu Lehrveranstaltungen an der ETH. Auch die UZH bietet seit November mit PCRSpeicheltests einen internen Covid-Pass an. Dieser stützt sich auf das kantonale Testregime «Together We Test» ab. «Dabei werden die Speichelproben von mehreren Personen zu einer gepoolten Probe zusammengemischt, um Laborkapazitäten zu sparen», erklärt Beat Müller.

Rechtliche Anforderungen erfüllt?

Trotz dieser Angebote gibt es Gruppen von Studierenden, die mit den Regelungen unzufrieden ist. Etwas über 1’000 Personen sind Teil von Telegram-Chats wie «Bildung für alle» oder «Zertifikatsfreie Bildung», die sich als Netzwerk von Studierenden gegen die «Diskriminierung und den faktischen Impfzwang» bezeichnen. Im Oktober klagte ein VWL-Student gegen die Uni Zürich. Sein Rechtsvertreter hat der Universität einen Rekurs gegen die Zertifikatspflicht zukommen lassen, der aktuell der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen vorliegt.

Mit der Zertifikatspflicht können die Universitäten von Lockerungen der Massnahmen profitieren: Zum einen dürfen die Hörsäle voll belegt werden und die Maskenpflicht in Lehrveranstaltungen entfällt. Die Uni als auch die ETH belegen ihre Hörsäle zur vollen Kapazität. An der Uni wird das Tragen von Masken weiterhin empfohlen. An der ETH besteht in den Hörsälen weiterhin die Maskenpflicht zusätzlich zum Zertifikat. Der VSUZH kritisiert das Entfallen der Maskenpflicht an der Uni in einer Stellungnahme: «Es ist wichtig, dass jeder Person die Möglichkeit geboten wird, in einem sicheren Umfeld den Lehrbetrieb zu besuchen. Das aktuelle Schutzkonzept ist mit der Aufhebung der Maskenpflicht und dem teils zurückhaltenden Kontrollieren der Zertifikate ungenügend.» Auch verschiedene Medien kritisierten im Laufe des Semesters, dass die Kontrollen an den Hochschulen nur punktuell durchgeführt werden. Umstritten war, ob dies mit den Bundesregeln konform sei. Die Medienstelle des Bundesamts für Gesundheit verweist die ZS auf die Covid-19-Verordnung der besonderen Lage. Nur wenn die Kontrolle

«Es sollen alle in einem sicheren Umfeld studieren können.»
Stellungnahme des VSUZH zur Entfallung der Maskenpflicht an der Uni

der Zertifikate «regelmässig und hinreichend» erfolgt, kann die Universität Zürich von einer Lockerung der Massnahmen profitieren. Kontrollen, die «nur durch Stichproben oder in unzureichendem Ausmass» stattfinden, reichen nicht aus. Schliesslich sei der Kanton für die Umsetzung der Schutzkonzepte zuständig. Er muss entscheiden, ob die Schutzkonzepte und Zugangskontrollen der Universitäten den rechtlichen Anforderungen genügen. Sowohl der Kanton Zürich als auch die Hochschulen weisen diese Kritik von sich. Lob für das Pandemie-Management «Dem Pandemie-Management der Universitäten kann ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt werden», sagt Michael Dischl vom Hochschulamt des Kantons Zürich. «Die Autonomie der Hochschulen hat sich im Umgang mit der COVID-19-Pandemie bewährt.» Somit unterscheidet sich auch das Vorgehen bei den Kontrollen. Die ETH stuft ihre Kontrolle der Zertifikate als «systematisch und regelmässig» ein: «Die ETH setzt auf Kontrollen durch externe Stewards für grosse Lehrveranstaltungen und Kontrollen durch Dozierende in kleineren Veranstaltungen», erläutert die Medienstelle der ETH. Der Tages-Anzeiger veröffentlichte einen Artikel zu den Kosten der Kontrollen an den Hochschulen. An der ETH kosten sie 60’000 Franken pro Monat, Angaben zu der Anzahl Kontrollen macht sie nicht. An der Uni Zürich sind es 95’000 Franken. An der Zürcher Hochschule der Künste, wo flächendeckende Kontrollen beim Eingang des Universitätsgebäudes stattfinden, kosten die Kontrollen zwischen 100’000 und 160’000 Franken monatlich.

Uni zeigt sich zufrieden

Die Uni Zürich steht hingegen hinter dem Vorgehen: «Das Pandemie-Management setzt dauerhaft Kontrollteams ein, die pro Woche 20’000 Kontrollen von COVID-Zertifikaten durchführen. Zudem weisen sie 2’000 Personen pro Woche auf die Einhaltung der Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen hin.» Auch könnten Dozierenden, Institute und Fakultäten weitere Zertifikatskontrollen durchführen. In den Bibliotheken werden Stichproben- und vereinzelt Einlasskontrollen durchgeführt. Ein Vergleich mit anderen Hochschulen zeigt aber, dass man die Umsetzung auch anders gestalten könnte. An der Universität Basel erfolgt eine Zertifikatsprüfung vor jeder Veranstaltung. Geimpfte und Genesene können zudem einen Hologramm-Kleber beziehen, der auf die Legi geklebt wird, um Kontrollen zu erleichtern. Die Universität Lugano verzichtet vorerst auf die volle Belegung der Hörsäle, da eine systematische Kontrolle schwierig umzusetzen sei.

Wie es im Frühlingssemester weitergeht, hängt von der Weiterentwicklung der Pandemie und den entsprechenden Vorgaben des Bundes ab. Die aktuellen Regeln sowie das kostenlose Testangebot gelten an beiden Hochschulen bis Februar. In der Prüfungsphase werden Prüfungen sowohl online als auch in Präsenzform durchgeführt. Die Uni plant derzeit Massnahmen, damit die Maskenpflicht an den Lernplätzen besser eingehalten wird: «Wir werden in Lautsprecherdurchsagen, auf Bildschirmen, in Mitteilungen auf der UZH Now App sowie der Webseite und in den Kontrollen verstärkt darauf hinweisen.»