Menstruieren ist (k)ein Luxus
Periodenarmut ist auch in der Schweiz ein Problem. Ein Pilotprojekt an der ETH soll Abhilfe schaffen.
Seit kurzem bekommt man sie gratis, zum Beispiel an Frankreichs Universitäten, an den Unis in Passau und Regensburg sowie an der Uni Genf. Und nun auch an der ETH: Die Rede ist von Tampons und Binden.
Seit Oktober dieses Jahres können Studierende und Angehörige der ETH an 22 Automaten Menstruationsprodukte kostenfrei beziehen. Zu finden sind sie an den vier Standorten der Hochschule. Dass es dieses Angebot braucht, habe zweierlei Gründe, erklärt Hanna Wolf, Mitarbeiterin der Equal!-Stelle für Chancengleichheit und Vielfalt an der ETH und Leiterin des Projekts. Laut Wolf gehe es darum, «dass wir vor allem die Studierenden finanziell entlasten wollen, damit sie ihr Studium durchführen können, ohne auf etwas verzichten zu müssen.»
Zudem beabsichtigen die Organisator* innen, ein Tabu zu brechen. Die Periode soll an der ETH als normal angesehen werden und die Periodenscham verschwinden. Deshalb engagiert Wolf sich dafür, dass auch Menstruationsprodukte auf öffentlichen Toiletten kostenlos verfügbar sind, wie das bereits bei WC-Papier etabliert ist.
Über Geschlechtergrenzen hinweg
Im August 2019 wandten sich ETH-Studentinnen an die Equal!-Stelle mit dem Anliegen, Tampons und Binden gratis anzubieten. Die Equal!-Stelle nahm sich dessen an. In Kooperation mit ETH-Vereinigungen, etwa dem ETH Women Professors Forum, dem AVETH, dem VSETH sowie weiteren Female Asscociations der ETH, kam das Projekt ins Rollen. Dabei bestand die Kerngruppe des Projekts ausschliesslich aus Frauen.
Wolf unterstreicht, dass sich das Angebot explizit an alle Menstruierenden richte, «denn uns ist wichtig, die Diversität der Hochschule abzubilden, indem wir den Menschen, die sich nicht als Frau identifizieren, aber einen Uterus haben und menstruieren, ebenfalls Zugang zu den Produkten verschaffen». Daher befinden sich die Automaten nicht nur auf den Damen-, sondern auch auf den genderneutralen- WCs.
Solidarische Nutzung im Vordergrund
Mit einem Budget von rund 20’000 Franken, das die ETH bereitstellte, wurden Anfang dieses Jahres die Automaten bestellt. Dabei bieten die Behältnisse Platz für je 40 Päckchen. Diese enthalten je vier Tampons oder eine Binde. Ferner befindet sich auf den Automaten sowie auf den Toiletten ohne Automaten ein QR-Code, der auf die Webseite umleitet. Dort gelangt man zu Standortplänen, die helfen, WCs mit den Automaten zu lokalisieren. Beim Pilotprojekt, das auf unbestimmte Zeit weiterläuft, sei eine solidarische Nutzung zentral, so Wolf. Sie erwartet nicht, dass sich die Menstruierenden übermässig mit den Produkten eindecken. Dennoch sind die Automaten mit dem Hinweis versehen: «Please, take only what you need».
Abstriche bei Nachhaltigkeit
Obwohl sich die Organisator*innen nachhaltige Artikel, etwa Tampons aus Fairtrade- Baumwolle oder, wie Wolf sagt, «ökologisch sinnvolle Produkte», gewünscht hätten, habe sich das nicht realisieren lassen. Zurzeit gebe es nur wenige Hersteller solcher Automaten und die Artikel würden in Schachteln in passender Grösse mitgeliefert werden. Der Aufwand und die Kosten, Boxen produzieren zu lassen, um diese mit nachhaltigen Produkten zu befüllen, wäre laut Wolf deutlich höher. Schliesslich entschieden sich die Projektverantwortlichen für ein
kostenloses statt ein nachhaltiges Angebot. Auch wenn die Automaten auf Binden und Tampons ausgelegt sind, sei es Wolf zufolge ein Anliegen, die Menstruierenden zu sensibilisieren, dass es nachhaltige Alternativprodukte, etwa wiederverwendbare Menstruationstassen, gibt. Diese wurden als Teil des Projekts in das Sortiment der ETH-Stores aufgenommen.
Uni Zürich im Verzug
Während das Projekt an der ETH in Fahrt kommt, warten die Studierenden der Uni Zürich noch auf Gratis-Periodenprodukte. Die Abteilung Gleichstellung und Diversität der Universität arbeite daran, ein Pilotprojekt aufzuziehen, wie Abteilungsleiterin Christiane Löwe erzählt. In Anbetracht der rund 300 Gebäude müsse jedoch eine Auswahl hochfrequentierter Standorte getroffen werden, um das Projekt bewerkstelligen zu können. Zunächst gelte es, Abklärungen zu treffen, aber «vielleicht können wir es schaffen, dass das Projekt im Laufe des nächsten Jahres operativ ist», sagt Löwe.
Hygieneprodukte sind nur der Anfang
An der ETH sei es das Ziel, nach und nach die übrigen rund 570 Damen- und genderneutralen Toiletten mit den Automaten auszustatten. Dennoch betont Wolf, die Automaten sollen nur der Anfang von vielen kleinen Schritten sein auf dem Weg zu einer diverseren und gleichberechtigteren Kultur an der ETH sowie schweizweit. «Periodenscham, Sexismus, Rassismus, Homophobie oder Bodyshaming gehören zu einer derartigen Kultur nicht dazu. Ich würde mir wünschen, dass sich unsere Studierenden und Mitarbeitenden über solche Themen keine Gedanken mehr machen müssen», sinniert Wolf.