Vom Umgang mit der Pandemie
Anfang 2020 überrumpelte Covid-19 den Studialltag. Was ist seither hinter den Hochschul-Kulissen geschehen? Eine Chronologie.
Anlässlich des ersten Online-Semesters im Frühjahr 2020 führte der VSUZH eine Umfrage mit Bachelor- und Masterstudierenden durch, um mehr über die Herausforderungen der Studierenden herauszufinden. Laut Pio Steiner, dem Co-Präsidenten des VSUZH, sei es darum gegangen, eine Momentaufnahme einzufangen: «Wir wollten den Zustand im Frühlingssemester vor einem Jahr festhalten, um später reagieren zu können. Nun wissen wir, wo die Studierenden gefordert waren, was sich verbessert hat und wie man die Herausforderungen in Zukunft besser bewältigen kann.» Von rund 26’500 Studierenden beantworteten 1’786 den Fragebogen.
Die Umfrage förderte Kritik zutage. So gab rund ein Viertel der Befragten an, hinsichtlich relevanter Entwicklungen des eigenen Studiums seitens Universitätsleitung, Fakultäten und Dozierenden nicht ausreichend informiert worden zu sein. 57 Prozent der Studierenden gaben an, weniger effizient gearbeitet zu haben. Zudem fehlte den meisten Befragten – rund 82 Prozent – der Austausch mit Kommiliton*innen, und ein Grossteil fühlte sich einsam. Laut Pio sei die Situation seitens der Uni aber insgesamt gut abgefedert worden.
Knapp 20 Prozent mehr Beratungen
Dass viele Studierende unter dem Shutdown und dessen Auswirkungen leiden, bestätigt auch Cornelia Beck, Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle (PBS) der Uni Zürich und ETH. Aufgrund der Pandemie führt die PBS die Beratungen ausschliesslich telefonisch oder per Video durch. Während des ersten Shutdowns im Frühjahr 2020 erhielt die PBS bis zu 30 Prozent weniger Neuanmeldungen gegenüber dem Vorjahr. Im Sommer 2020 stiegen die Neuanmeldungen dagegen wieder um 30 Prozent an. Die Gesamtzahl der Neuanmeldung blieb im Vergleich zum Vorjahr somit stabil. Gleichzeitig habe aber die PBS, so Beck, mit denjenigen, die sich für eine Beratung angemeldet haben, während dem letzten Jahr mehr Gespräche geführt als 2019 – insgesamt seien dadurch 19 Prozent mehr Beratungen durchgeführt worden. Die Vergleichsstatistiken zum Befinden der Studis nach einem Jahr sind aufschlussreich, doch wie sieht es auf Seiten der Hochschulen aus?
Bereits im Januar 2020, kurz nach Bekanntwerden des ersten Coronafalls in China, bildete der Bereich «Sicherheit und Umwelt» der Uni eine Taskforce, die die Situation beobachtete und sich auf die anstehenden Fragestellungen vorbereitete. Die Taskforce wurde zunächst durch den Krisenstab, unter der Leitung von Steve Jürkel, abgelöst. Innerhalb des Krisenstabs entwickelten die Mitglieder dann eine Struktur, mittels derer man in der Lage war, das Krisenmanagement der Uni über eine längere Zeit durchzuführen. Im Vordergrund stand dabei laut Jürkel, sowohl die Uni als auch das Unipersonal sicher durch die Krise zu bringen. Der Krisenstab bestimmte mitunter, wann und in welchen Bereichen Schliessungen herbeigeführt werden müssten.
Der Krisenstab übernimmt
Am 12. März verkündete die ETH, dass Präsenzveranstaltungen ausfallen sowie Fehlversuche im Frühjahrssemester annulliert würden; am Tag darauf folgte die Uni und bot den Studierenden zudem die Möglichkeit, nicht-abgeschlossene Module zu stornieren. Als der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» erklärte und den ersten schweizweiten Lockdown verkündete, der vom 16. März bis zum 19. April dauern sollte, schlossen die Hochschulbibliotheken, die Räumlichkeiten des ASVZ sowie Museen. Auch der Mensabetrieb wurde eingeschränkt.
Gegen Ende des Frühjahrssemesters traten bundesweit Lockerungen in Kraft. So konnten ab Anfang Juni Arbeit und Forschung an den Hochschulen wieder vor Ort aufgenommen werden, der ASVZ öffnete mit beschränktem Angebot seine Türen, der Mensa- und Cafeteriabetrieb wurde partiell ausgeübt, Museen und Bibliotheken kehrten teilweise zum Betrieb zurück. Die Lehre blieb weiterhin kontaktfrei. Im Verlauf des Sommers wurde der Krisenstab in das Corona-Pandemiemanagement umgewandelt. Dabei sei es laut Jürkel darum gegangen, zu signalisieren, dass der Krisenstab die Situation im Griff habe und sich damit beschäftige, die Uni vernünftig durch die Corona-Situation zu bringen. Das Corona-Pandemiemanagement setzt sich einerseits aus Arbeitsgruppen zusammen, die sich mit Themen wie Lehre, Forschung oder Personal beschäftigen. Andererseits gibt es die Führungsgruppe: Diese besteht aus einem Mitglied der Unileitung, der Generalsekretärin, dem Leiter des Corona-Pandemiemanagements, den Leitungen der Abteilungen Kommunikation und Personal sowie der Leitung und einer Vertretung der Abteilung «Sicherheit und Umwelt».
Die verschiedenen Expert*innen vereinen dabei Know-how aus Bereichen wie Gesundheits- und Krisenmanagement, Kommunikation und Strategie. Das Pandemiemanagement treffe keine Entscheidungen, erklärt Jürkel. Vielmehr sei dessen Aufgabe «die Universitätsleitung stufen-, sach- und zeitgerecht zu informieren, damit diese Entscheidungen treffen kann, die zur richtigen Zeit auf der richtigen Stufe funktionieren.» Nach der bundesweiten Einführung der Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln am 6. Juli letzten Jahres folgte am 1. September die Maskenpflicht in den öffentlich zugänglichen Innenräumen der Uni sowie die Vorgabe, 1.5 Meter Distanz zu Mitmenschen zu wahren. Als die zweite Corona-Welle im Oktober die Schweiz überrollte, weitete die Universität am 19. Oktober die Maskenpflicht aus. Somit mussten auch in Seminarräumen und in Büros Masken getragen werden. Am 2. November wurden Präsenzveranstaltungen erneut ganz ausgesetzt wurden.
Austausch zwischen Zürcher Hochschulen
Neben der Bildungsdirektion steht das Corona-Pandemiemanagement seit dem Sommer 2020 im regelmässigen Austausch mit den Krisenstäben weiterer Zürcher Hochschulen, namentlich der PH, ZHAW und ZHdK; ein enger Austausch mit der ETH besteht nicht. Dabei informieren sich die Krisenstäbe gegenseitig über aktuelle Probleme, vergangene sowie anstehende Entscheidungen und über das weitere Vorgehen. Insbesondere an Hochschulen mit erhöhtem Praxisanteil, etwa an der ZHdK, sei der Einschnitt in Bereichen wie Gesang oder Tanz deutlich grösser. Obwohl Jürkel die Situation an der Universität in Bezug auf die Corona-Einschränkungen nicht zufriedenstellend findet, sei er froh, dass Studierende ihre Labor- oder klinischen Kurse weiterhin in Präsenz besuchen können. Das Corona-Pandemiemanagement lege Wert darauf, die Bedürfnisse der Studierenden zu berücksichtigen, und auf ein «relativ grosses Angebot an Lernarbeitsplätzen, damit Studierende vor Ort arbeiten können», so Jürkel. Er betont: «Wir wollen den fairen Zugang zum Studium aufrechterhalten.»
Während die Pandemie für die Hochschulen eine Chance darstellt, die Lehre weiter zu digitalisieren, verlangt sie von den Studierenden viel ab. Zwar versuchen diverse Stellen der Uni, die Beteiligten bestmöglich zu unterstützen, doch sind nicht alle pandemiebedingten Probleme einfach oder gar schnell lösbar. Somit bleibt die Unsicherheit über den Lauf der Dinge in diesem Jahr bestehen. Ein weiteres Online-Semester wäre besonders für Studierende, die ihr Studium nach 2019 begonnen haben, eine bittere Pille.