World Wild Web

Aus der Forschung — Die Dissertation von Sven Bisquolm untersucht, wie wir mit den Gefahren der Digitalisierung umgehen.

8. März 2021

Die Digitalisierung ist ein so gewaltiger, komplexer und rasanter Umgestaltungsprozess unserer Kultur, dass wir den Entwicklungen kaum noch nachkommen. Zwar hat sie Menschen über die ganze Welt vernetzt und viele Innovationen gebracht, doch birgt sie auch Gefahren, die erst allmählich zum Vorschein treten. Sven Bisquolm hat in seiner Dissertation am Soziologischen Institut der Uni Zürich festgehalten, wie wir diese Gefahren wahrnehmen und mit ihnen umgehen. Eine repräsentative Studie mit über 1500 in der Schweiz lebenden Menschen über alle Landesteile hinweg lieferte ihm die Daten.

Fehlendes Wissen und sozialer Druck

In seiner Arbeit unterscheidet Bisquolm zwischen Sicherheitsgefahren, die durch mangelhafte Privatsphäre und Datensicherheit im Internet hervorgerufen werden, und sozialen Gefahren, die sich negativ auf soziale Interaktionen auswirken oder Abhängigkeiten hervorrufen. Letztere äussern sich etwa als Internetsucht, Cyberbullying, Verbreitung von Falschinformationen und Manipulation. Bisquolms Liste ist nicht abschliessend. Sie kann es auch nicht sein, weil sich die digitale Welt ständig entwickelt und verändert. Dennoch versuchte er ein breites Spektrum abzubilden. Bisquolm hat sich intensiv mit der Gefährdung von Individuen durch die Digitalisierung und den Sicherheitsmassnahmen, die die Menschen anwenden oder unterlassen, befasst. In der Vergangenheit seien die Gefahren der Digitalisierung einfach unter den Tisch gekehrt worden. Nun habe ein Wandel stattgefunden. «Die anfängliche Naivität, die wir als Gesellschaft der Digitalisierung gegenüber hatten, ist passé», so Bisquolm. Nur noch eine von 20 Personen schätzt die untersuchten digitalen Gefahren als unbedenklich ein. Dennoch unternimmt ungefähr ein Fünftel der Bevölkerung keine aktiven Sicherheitsmassnahmen und ein Drittel schaltet sein Gerät gar nicht mehr ab. Vielen Menschen sei noch nicht bewusst, dass sie im Umgang mit digitalen Medien vorsichtiger agieren sollten. Das könne einerseits an fehlendem Wissen liegen, aber auch am sozialen Umfeld und dem Druck, nichts zu verpassen. Der Umbruch sei schliesslich so tiefgreifend, dass wir das neue Denken noch gar nicht richtig in unser Leben integriert hätten.

Bisquolm vergleicht den Umgestaltungsprozess mit dem Aufkommen der Autos: «Damals gab es keine Verkehrsregeln, geschweige denn Zebrastreifen. Die Verkehrsteilnehmenden mussten sich zuerst über allgemein geltende Normen einigen. Für die digitale Autobahn haben wir dieses Mindset noch nicht. Wir wissen nicht, was richtig und was falsch ist.» Für viele Verstösse gelte deshalb «Wilder Westen». Cybercrime etwa sei schwierig zu verfolgen. Einerseits hinke die Polizei mit dem technischen Know-how hinterher, andererseits gebe es dermassen viele Daten, dass es lange dauere, bis man diese ausgewertet habe.

Selbstbeherrschung ist zentral

Die Studie zeigte zudem einen signifikanten Zusammenhang zwischen Massnahmen der Selbstbeherrschung und Abkoppelung von digitalen Geräten und der Lebenszufriedenheit. So sind Leute, die bei der Studie glücklicher als andere eingestuft wurden, auch diejenigen, die ihr Gerät häufiger abschalten oder weglegen, etwa beim Essen oder beim Schlafen. Bisquolm rät deshalb, sich beispielsweise einmal in der Woche komplett abzuschotten, sich eine «Offline-Insel» zu schaffen.

Hier ist die Dissertation nachzulesen.