Das neue ETH-Gesetz ermöglicht starke Eingriffe in die Privatsphäre der Studis. ETH Zürich, Gian Marco Castelberg, Montage: Sumanie Gächter

Bespitzelt die ETH bald ihre Studis?

Das neue ETH-Gesetz ermöglicht Videoüberwachung auf dem gesamten Campus. Das sorgt für rote Köpfe.

25. Oktober 2020

Das ETH-Gesetz aus dem Jahr 1991 wird einer Totalrevision unterzogen. National- und Ständerat haben das revidierte Gesetz Ende September angenommen. Es soll in Kraft treten, sobald die letzten Differenzen zwischen den beiden Kammern bereinigt sind. Ein darin enthaltener Gesetzesartikel schafft die Rechtsgrundlage für eine Reihe neuer Sicherheitsmassnahmen. Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) und der VSETH stehen dieser Neuerung kritisch gegenüber.

Mehr Kameras und Sicherheitspersonal

Zum einen darf die ETH private Sicherheitsdienste einrichten, die Sicherheit und Ordnung auf dem ETH-Areal gewährleisten sollen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe können Personen befragt, Ausweiskontrollen vorgenommen sowie Personen, die sich nicht regelkonform verhalten, kontrolliert oder weggewiesen werden. Ausserdem sind die Sicherheitsdienste dazu befugt, Daten mit Angaben zur Identität von Personen, die gegen Vorschriften verstossen, zu erfassen.

Zum anderen ermöglicht die Revision, dass die ETH auf ihrem gesamten Hochschulgebiet Überwachungskameras einrichten darf. Ob die Videoaufnahmen in anonymisierter Form für Schulungen verwendet werden dürfen, ist noch unklar.

Die Frage nach der Verhältnismässigkeit

«Ich verstehe, dass Videoüberwachung in gewissen Kontexten Sicherheit gewährleisten kann. Videoüberwachung auf dem ganzen Areal zu ermöglichen, ist jedoch völlig unverhältnismässig», kritisiert Laurent Woeffray vom VSS. Er verweist dazu auf den Minderheitsantrag der Grünen-Nationalrätin Valentine Python. Sie betont, dass das Gefühl ständiger Videoüberwachung einen negativen Einfluss auf die Arbeitsatmosphäre und Konzentration an der Hochschule habe. Die Überwachung sollte sich deshalb auf halböffentliche Räume beschränken und nicht in Büros oder private Räumlichkeiten von ETH-Angehörigen eindringen. Ob ein Vorlesungssaal als halböffentlicher Ort gelten kann, ist streitbar.

Auch den Einsatz eines privaten Sicherheitsdienstes kritisiert der VSS und fordert, dass dessen Kompetenzen und Sicherheitskonzepte mit der Kantonspolizei abgesprochen werden sollen. Dies wird im aktuellen Gesetzesentwurf nicht vorausgesetzt. Dabei handelt es sich auf dem Hochschulareal zu grossen Teilen um öffentlichen Raum. Laurent betont diesbezüglich: «Der VSS geht davon aus, dass durch eine Absprache mit der Kantonspolizei unverhältnismässige Massnahmen besser verhindert werden können.»

Mangelnde Sicherheit an der ETH?

Im Zusammenhang mit der Sicherheitsdebatte stellt sich die Frage, ob es an der ETH Vorfälle gab, die ausgeweitete Überwachungskompetenzen legitimierten oder nötig machten. Auf Nachfrage beim VSETH sind keine solche Ereignisse bekannt. Die Vergehen haben in den letzten Jahren sogar abgenommen und bei 40 Prozent der verzeichneten Delikte handelt es sich lediglich um Sprayereien, die aussen an den ETH-Gebäuden angebracht wurden.

In dem Entwicklungsprozess bleiben insbesondere diese Fragen noch unbeantwortet: Wie soll es in Zukunft um das Vertrauensverhältnis zwischen den Hochschulangehörigen, der ETH und dem Bund stehen? Wie verändert sich das Verhältnis durch diese Gesetzesrevision? Das sind wichtige Punkte; es wäre besser gewesen, sie mit allen Beteiligten zu diskutieren, noch bevor der Gesetzesentwurf auf dem Tisch lag.