Christopher Harris / flickr

Country-Legende Dolly Parton rettet Weihnachten

Dreissig Jahre nach «Home for Christmas» legt Dolly Parton mit «A Holly Dolly Christmas» ihr zweites Weihnachtsalbum vor. Mit Unterstützung eines Who's Who an Gästen aus der Country-Szene und weiteren Grössen bespielt sie das Genre der Weihnachtsmusik lässig und souverän.

14. Oktober 2020

Dolly Parton ist längst nicht mehr nur eine Country-Sängerin neben anderen Country-Sängerinnen, sondern eine Ikone; ihr quasi-mythischer Stellenwert vergleichbar etwa mit demjenigen, den Madonna oder Grace Jones in ihren jeweiligen Sparten haben. Ihre Kanonisierung wird auf dem neuen Album «A Dolly Parton Christmas» auch durch die Gastsänger*innen markiert: Neben Michael Bublé und Willie Nelson, Legende einer tendenziell links-codierten Country-Musik, und dem notorisch drögen Mainstream-Country-Biedermann Billy Ray Cyrus fällt in der Liste vor allem Miley Cyrus auf.

Neben Lady Gagas Album «Joanne» und dem Überraschungshit «Old Town Road» von Lil Nas X ist ihr Beitrag ein weiteres Indiz dafür, dass das lange zu Unrecht und nicht ohne klassenspezifische Ressentiments hämisch behandelte Country-Genre im Mainstream der US-amerikanischen Musik neu verhandelt wird.

Parton liefert Kitsch für den Weihnachtsabend

Musikalisch gibt sich «A Dolly Parton Christmas» dem vom Format des Weihnachtsalbums gestellten Anspruch auf Gefälligkeit und Gemütlichkeit ganz hin. In Intros und Outros wird launig geplaudert und gelacht, die Arrangements sind dick, kitschig und zuckrig, aber deswegen nicht intrinsisch peinlicher als beispielsweise die auf Bob Dylans «Christmas in the Heart» von 2009.

Das balladesk sich aufbäumende «Christmas Is» – ein Duett mit Miley Cyrus – findet für seine Forderung nach einem Eingedenken der Armen verbindlichere Worte als es für den bloss stereotyp festtäglichen Wohltätigkeitsaufruf nötig wäre; Zeilen wie «There are the haves and the have-nots / and you could be either one» fügen das Stück in eine lange Reihe klassenbewusster und für soziale Ungerechtigkeit sensible Parton-Songs wie «9 to 5» und «Coat of Many Colors» ein.

[embed]https://www.youtube.com/watch?v=Za-eum8I4f0[/embed]

Klassiker der Weihnachtsmusik wie «I Saw Mommy Kissing Santa Claus» und «All I Want for Christmas is You» werden mit üppigem Schmalz und allerlei Glockengeklingel aufgewärmt. Sie sind wenig konturiert und häufig arm an klar markierten Höhepunkten; verzeihlich, wenn man in Rechnung stellt, dass ein solches Weihnachtsalbum sich auch als wohlige Hintergrundberieselung eignen soll. Gelegentliche Variationen in der Instrumentierung – hier ein Chor, da mehr Streicher, hier etwas Slide-Gitarre – brechen nie die Atmosphäre warmer Sentimentalität auf. Ein Lied wie «Christmas on the Square» hängt sich die musikalischen Insignien einer traditionelleren Musik – Square-Dance-Rhythmus, ein paar Banjo-Läufe und gefiedelte Einschübe – als etwas effekthascherische Christbaumdekoration um.

Gekonnte Wohlfühlmusik mit einer Prise Selbstironie

«All I Want For Christmas Is You» vermittelt seine Beschwingtheit aber deutlich effektiver, als die auf dem Papier eher fragwürdige Ausgangsidee – ein Mariah-Carey-Cover im Duett mit Late-Night-Ulknudel Jimmy Fallon – ahnen lässt. Billy Ray Cyrus bleibt eine unheilige Gestalt: Wie wenige verkörpert er das garstig falsche Pathos des monotonen Mainstreamradio-Country der letzten Jahrzehnte und hat Legionen weisser Männer gelehrt, zu singen, als hätten sie ihre Hüften noch nie bewegt; doch auch er schafft es nicht, das hübsch gutmütige Pop-Rock-Liedchen «Christmas Where We Are» – wie die Hälfte der Stücke aus Partons eigener Feder – im Schlamm seiner Stimme zu ertränken.

«A Holly Dolly Christmas» ist schon das zweite Weihnachtsalbum der Country-Ikone. Butterfly Records

«A Holly Dolly Christmas» ist schon das zweite Weihnachtsalbum der Country-Ikone (Bild: Butterfly Records).

Der Festtagsstandard «Holly Jolly Christmas» wird locker mit Steele-Gitarre und nach Western-Swing-Art mit scheinbar spontan ins Lied gesprochenen Passagen angereichert; schaden kann's ja nicht. Erfreulich gerät auch das Cover des harmlos frivolen «I Saw Mommy Kissing Santa Claus» – im Original von 1952 immerhin von der katholischen Kirche ausdrücklich getadelt – , besonders, weil sich die 74-jährige Parton ganz und gar auf die Albernheit des Lieds einlässt und gezielt überkandidelt das kleine Kind spielt, das die Mutter und den noch als Nikolaus verkleideten Vater beim Schmusen beobachtet.

Unterm Strich finden sich die Qualitäten des Albums jedoch dort, wo die spezifischen Lieder am wenigsten ins Gewicht fallen: im freudigen Wiedererkennen von Partons überlebensgrosser Stimme und ihrer Kraft, sich den Pomp grosser Gesten ohne Einbusse ihrer Selbstironie zu erlauben.

«A Holly Dolly Christmas» erschien am 2. Oktober auf Dolly Partons eigenem Label Butterfly Records in Zusammenarbeit mit der 12 Tone Music Group.