Lernen, ohne zu vergessen

Aus der Forschung — Zebrafinken können sich fast nichts merken. Trotzdem können Menschen von ihnen lernen.

5. April 2020

Hört man die quietschenden, zirpenden Laute, die ein Zebrafinkenmännchen von sich gibt, um ein Weibchen anzulocken, muten diese sehr simpel an. Man kann sich kaum vorstellen, dass diese des Gesangs schon fast unwürdigen Laute dennoch sehr komplex und schwer zu analysieren sind. Jede noch so simple Tonfolge besteht nämlich aus einer Vielzahl akustischer Merkmale, wie beispielsweise der Tonhöhe oder der Frequenz der Laute.

Männliche Zebrafinken mussten diesen Gesang auch zuerst erlernen. Eine Forschungsgruppe am Institut für Neuroinformatik der Universität und ETH Zürich hat untersucht, wie sich der Balzgesang von jungen männlichen Zebrafinken verändert, während sie diesen von ihren Vätern imitieren und üben. Nach neuesten Erkenntnissen des Instituts ist der Lernprozess effizienter als bisher angenommen.

Relevant für andere Disziplinen

Spannend sei nun die Frage, inwieweit sich Einsichten in Lernweisen von Zebrafinken auf andere Spezies und deren Lernprozesse und insbesondere auf Menschen übertragen liessen, erklärt Valerio Mante, Professor am Institut für Neuroinformatik der Universität Zürich. Allerdings ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich zu sagen, ob sich die Erkenntnisse auf den Menschen anwenden lassen. Denn momentan liegen noch keine solchen Untersuchungen vor. Chancen seien aber vor allem in den Bereichen Lernen, Rehabilitation und Sport zu erwarten.

«Für Wissenschaftler*innen von anderen Disziplinen könnte diese Studie und ihre innovative Methodik als Anregung dienen, das grosse Ganze anzuschauen, um Einzelaspekte besser in Gesamtzusammenhänge einordnen zu können», so Mante. Er betont aber auch, dass die Variabilität im Verhalten von Forschungsobjekten zu beachten sei. Dank der neuen Methode der Forschungsgruppe wird nämlich deutlich, dass die lernenden Finken eine Varianz produzieren, die von anfänglichen Fehlversuchen bis zu Gesängen reicht, mit der sich manch eine Finkendame wohl bereits bezirzen liesse. Die schlechteren Gesangsversuche können dabei über den Tag verbessert werden. Jedoch vergisst der Vogel diesen Fortschritt über Nacht wieder zu einem grossen Teil, sodass am nächsten Tag die schlechten Versuche wieder genauso klingen wie am Vortag. Die erfolgreichen Singversuche hingegen vergisst der Finke nicht, weshalb ihm eine grosse Effizienz in seinem Lernverhalten nachgesagt wird.

Auch schlechte Gesänge haben einen Nutzen

Die Variabilität ermögliche es, aus verschiedenen Optionen zu wählen und diese nicht frühzeitig einzuschränken, so Mante. In anderen Worten bedeutet dies, dass vermutlich auch die schlechten Gesangsversuche des Zebrafinken ihre Nützlichkeit haben. Lernverhalten effizienter zu machen, darf also nicht bedeuten, Kreativität und Vielfalt der Möglichkeiten einzuschränken.

Weil der Balzgesang der Zebrafinken in seiner Gesamtheit sehr komplex ist, mussten sich Forscher*innen bisher bei der Analyse auf gewisse Merkmale des Gesangs beschränken. Es fehlte eine wissenschaftliche Methode, um die Veränderungen solch komplexer Daten auszuwerten. Ähnliche Studien an Menschen könnten nun zu einem besseren Verständnis darüber führen, wie Lernen in unserem Gehirn abläuft. Dies wiederum könnte helfen, unseren Lernprozess in Zukunft effizienter zu machen.