So grün ist Wolffia, das neue ETH-Superfood. Alexia Förster

Grünes Wunder aus ETH-Labor

Wasserlinsen könnten in Zukunft Sojaprodukte ersetzen. Sie sollen nachhaltiger und günstiger sein.

5. April 2020

Es leuchtet grün und wächst im Untergeschoss des ETH-Gebäudes für Land- und Forstwirtschaft schnell vor sich hin: Wolffia ist eine Wasserlinsengattung, die bald Einzug in unsere Ernährung finden soll. Wasserlinsen sind nicht nur essbar, sondern auch gesund und nachhaltig. Das hat das Interesse der Umweltwissenschaftler*innen Melanie Binggeli und Cyrill Hess geweckt. Sie wollen Wolffia zu einem Lebensmittelprodukt entwickeln, das in bestimmten Anwendungen sogar Soja ersetzen könnte.

Superfood-Potenzial

Auf die Idee, mit Wolffia zu arbeiten, kam Cyrill, als er für seine Masterarbeit eine Pflanze als Modellorganismus benötigte, die möglichst schnell wächst. Wasserlinsen, im Spezifischen Wolffia, sind die am schnellsten wachsenden Blütenpflanzen. So entstand die Idee, sie auch auf ihr geschmackliches Potenzial zu prüfen, wie Cyrill ausführt: «Sie schmeckt gut, hat einen sehr hohen Proteinanteil und wächst schnell. Das sind beste Voraussetzungen, um sie als Lebensmittel einzusetzen.» Der Geschmack ähnelt Matcha und Sojasprossen. Getrocknete Wolffia ist zudem eine richtige Nährstoffbombe: Sie enthält alle für die menschliche Ernährung essentiellen Aminosäuren und hat bis zu 50 Prozent Proteinanteil. Auch enthalten sind Omega-3-Fettsäuren, Vitamine wie B12 und Mineralstoffe wie Eisen. Wolffia könnte daher zu reduziertem Fleischkonsum führen. «Wir können proteinhaltige Lebensmittel auf bis zu 20-mal weniger Fläche als Soja produzieren», so Cyrill.

Nachhaltige Produktion

In der Natur sind Wasserlinsen weltweit und vor allem im asiatischen Raum zu finden und wachsen in Teichen. Sie brauchen Licht, Wasser und Nährstoffe und vermehren sich anders als Algen auf der Wasseroberfläche. Diese Bedingungen müssen für die Züchtung nachgestellt werden, deshalb verwendet das Start-up das Raceway Pond System, welches einen künstlichen Teich mit Strömung auf zwei Ebenen imitiert. Ziel ist, den ganzen Prozess vom Anbau bis hin zur Verarbeitung nachhaltig und effizient zu gestalten.

Für den Anbau haben sie bereits ein geschlossenes System entwickelt. «Wir haben null Eintrag von Dünger in die Umwelt. Der Anbau von Wasserlinsen ist nicht auf Pestizide angewiesen, und wir sparen enorm viel Wasser», erklärt Cyrill. Hauptmotivation zur Gründung des Start -ups Lemna Pro war von Anfang an das Thema Nachhaltigkeit. «Unser Ziel ist es, einen positiven Einfluss auf die Umwelt und unsere Gesundheit zu erzeugen. Wir müssen es als Gesellschaft schaffen, unsere Lebensmittel auf eine Art und Weise zu produzieren ohne, dabei den ganzen Planeten zu zerstören», führt Melanie aus.

Langer Weg bis ins Regal

Bis Wasserlinsen den Markteintritt schaffen, braucht das Start-up aber noch etwas Zeit. «Die grösste Hürde ist definitiv die Novel-Food-Zulassung. Diese kann drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen», erklärt Melanie. Denn neue Lebensmittel müssen erst als solche anerkannt werden, bevor sie in der Schweiz und der EU eingeführt werden dürfen. Ist diese Hürde geschafft, soll Wolffia kein Luxusprodukt sein und längerfristig allen Leuten zugänglich gemacht werden. Dank des schnellen Wachstums der Pflanze und weil die gesamte Pflanzenbiomasse konsumiert werden kann, soll sie der Lebensmittelindustrie kostengünstig verfügbar gemacht werden. Ob sie den Kompromiss zwischen Nachhaltigkeit und Kaufpreis tatsächlich schafft, wird sich in der Umsetzung zeigen.