Bellen und Flehen im fahlen Mondlicht
Das Trio Perspective Shifts aus dem Kanton Freiburg hat mit «How the Light Gets In» ihr zweites Album veröffentlicht. Entstanden sind dabei scharfkantige Nachtlandschaften zwischen Blues, Post-Rock und Lärmeskapade.
«There’s a crack in everything, that’s how the light gets in», singt Leonard Cohen im vielzitierten «Anthem». Die tief melancholische Humoreske aus dem Spätwerk des Songwriters sucht nach etwas Optimismus in einer im Wesentlichen trostlosen Welt. «Rückgrat» könnte man dazu vielleicht sagen. Ähnlich finster und nächtlich sind die Szenarien des Albums «How the Light Gets In» der Freiburger Band Perspective Shifts.
Den Einstieg macht das Stück «Milchglas», das nach ein paar kleinen Farbtupfern aus Schlagzeug und Saxophon die Tür zum Monumentalen eintritt und in der Folge oszilliert zwischen Jazz, Post-Punk und Post-Rock, zwischen Strasse, Salon und Säulenhalle. «Die schweren, nassen Augen / blicken übers brache Land / auf freie Aschefelder / zum Anflug freigeräumt. / Erst die Nacht vertreibt Wolken mir endlich aus dem Kopf», so Sänger Valentin Brügger, bevor das Lied in ein befreit ruhiges Outro mündet.
Das Cover der neuen Platte (Bild: Angelia Schmutz).
Scharfkantige Landschaften und mondgetränkte Rauchschwaden
Die Ende 2018 erfolgte Erweiterung der Gruppe um Schlagzeuger Adrian Mahler gibt dem Sound von Perspective Shifts eine sehnige Handfestigkeit, die den expansiven Klang beständig mit sanfter Gewalt im je gegebenen Moment festhält. Brüggers Stimme, der Klangfarbe nach am ehesten mit einem muskulöseren Nick Cave vergleichbar, vermittelt dabei zwischen scharfkantigen Landschaften, introspektiven Lichtwürfen und mondgetränkten Rauchschwaden. Für die dunkel schimmernden Texturen der Instrumentalpartien zeichnet sich Manfred Jungo insbesondere mit romantisch absinth-trunkenem Klavier und in die Höhe strebendem Saxophon verantwortlich.
Die Blues- und Folk-Einschläge, die Hörer*innen des Debütalbums «Parallax» aus dem Jahr 2017 noch in Erinnerung sein dürften, sind nicht verschwunden, nur konsequenter in den Sound eingekocht. Dort vollzogen sich die namensgebenden Perspektivenwechsel oft als teils kühne Genresprünge. Auf «How the Light Gets In» hingegen wirken die Bestandteile des musikalischen Formenreichtums der Band stärker vermengt; die zahlreichen Ausdrucksmittel wirken wie notwendig aufeinander bezogen, ohne dass Klangabstufungen sich dabei ins Unscharfe auflösen würden.
Tonnenschwerer Blues-Stampfer
Das sechste Stück mit dem Titel «Panopticon» illustriert die Vielgestaltigkeit des Albums: Aus Synthesizer- und Saxophonhauch schält sich ein tonnenschwerer Blues-Stampfer, bevor sich das Stück im Crescendo zu einer fast postrockigen Geräumigkeit aufschwingt. Was auf dem Papier vielleicht noch kontraintuitiv anmutet, entfaltet sich auf «How the Light Gets In» durchwegs mit berückender Folgerichtigkeit. Diese organische Schlüssigkeit profitiert auch von der blendenden Produktion von Ralph Zünd und dem Mastering von Dan Suter, die jede Klangnuance gestochen scharf eingefangen und ausbalanciert haben.
Einen weiteren Höhepunkt stellt das vorab mit Video veröffentlichte Single «Hunger» dar. Nach einem dräuenden Synthesizer-Intro beginnt das Stück in entschlossenem Schritttempo zu grooven. «I’m in a sea of misery / no land’s man in a no man’s land / a life-long dead man’s float / I feel the hunger, I feel the hunger!», bellt und fleht Brügger durch den dickflüssigen Track. So selbstbewusst gewalzt wird sonst eher in der Staubstiefelwelt des Stoner Metal.
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Hämmern und hauen bis die Kathedralen einstürzen
Aber auch Nachdenklichkeit und stille Wehmut gelingen auf «How the Light Gets In». «Shiver & Shake» beispielsweise besticht mit der sachten Dramatik einer Barkenfahrt durch Nebelschwaden: «Regret all you’ve done / regret what you’ve become», flüstert Brügger vor perlendem Hintergrund, aus dem sich ein Marschrhythmus langsam erhebt. Zentnerschwere Klavierakkorde fallen in Zeitlupe vom Himmel, bevor der Synthesizer-Dunst sich lichtet.
Das musikalisch gewagteste Stück dürfte allerdings der 13-minütige Albumcloser «Raven Song» sein, der mit heftigen Glockenschlägen aus Klavier anfängt, um dann zwischen depressivem Minimalismus, impressionistischem Tasten nach dem Flüchtigen und sehnsüchtigem Seufzen zu schwanken. Der Song gerät zur krönenden Tour de Force für Brügger: er raunt, haucht, gibt mal den Crooner und mal den Schreihals. Man hat den Eindruck, das eigentliche Lied erhebt sich nur gelegentlich aus den verspielten instrumentalen Wellen, nur um sich dann wieder darin zu versenken. Das Stück steigert sich zur apokalyptischen Lärmeskapade, währenddessen hämmern und hauen Mahler und Jungo, als wollten sie eine Kathedrale zum Einsturz bringen. Versöhnlichkeit unterfüttert den Furor, wenn Brügger über die rabiaten Kaskaden aus Synthesizer, Schlagzeug und Saxophon keift: «Let the raven fly / kiss their shiny beaks / and join in / a raven song». Eine befreiende Zerstörung.