«Wir versuchen nicht, ein Sorgentelefon zu sein»
Den Standort ihres Büros will die Nightline geheim halten, externen Personen ist der Zutritt dazu aus Anonymitätsgründen untersagt. Ebenso ist die Identität der freiwilligen Mitarbeitenden am Telefon, im Chat oder Mail, sowie die Identität der Kontaktsuchenden geheim. Die Nightline misst der Anonymität einen hohen Stellenwert zu, weshalb nicht viel über diese bereits 2005 von zwei ETH-Studierenden gegründete Kommission des VSUZH und VSETH bekannt ist. Speziell an der Nightline ist, dass sie am Abend von 20 bis 0 Uhr erreichbar ist, dann wenn viele traditionelle Anlaufstellen bereits geschlossen sind. Dies aus dem Gedanken heraus, dass bedrückende Fragen und Probleme oftmals erst am Abend aufkommen, wenn der Alltagsstress sich legt, erklärt Jacqueline Younger, Vizepräsidentin der Nightline. Sie stellt aber auch klar: «Wir versuchen nicht, ein Sorgentelefon zu sein, sondern eher ein Zuhördienst.» Die Nightline soll für die ganze Bandbreite der Anliegen da sein. Auch einfache Fragen zum Studierendenleben oder wie man die herzige Mitstudentin im Seminar anspricht, sind erwünscht und willkommen.
Beim Zuhördienst Nightline arbeiten rund 50 Studierende. Trotz dieser Grösse ist nicht viel über den Verein bekannt. Die Anonymität steht an höchster Stelle.
Zweitägige Schulung
Die rund 50 Mitarbeitenden der Nightline werden an einer zweitägigen Schulung durch verschiedene Expert*innen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Trotzdem kann es zu schwierigen Situationen kommen. V. macht seit zwei Jahren bei der Nightline mit. Sie erinnert sich daran, wie nervös sie bei ihren ersten Telefonaten war, aber auch, wie schnell sich das gelegt hat und durch positive Erfahrungen ersetzt wurde. «Oftmals hört man am Schluss eines Gesprächs, dass es der Person besser geht und dass das Gespräch hilfreich war», sagt sie. Natürlich gebe es aber auch sehr schwierige Anrufe. So hat V. auch schon Gespräche geführt, welche bei ihr noch einige Zeit nachgehallt haben. Alle Gespräche berühren sie auf eine Art, sagt sie, und es sei manchmal schwierig damit umzugehen, dass man nach einem Kontakt keine Möglichkeit hat, zu wissen, wie es der Person ergangen ist.
Von einer Psychotherapeutin begleitet
Damit die Nightline für alle Beteiligten eine sichere Erfahrung ist, gibt es auch für die Freiwilligen selber eine Anlaufstelle. So gibt es interne Tandempartner, mit denen die Mitarbeitenden über belastende Kontakte sprechen können und regelmässige Supervisionen mit einer Psychotherapeutin. Ebenfalls entlastend wirkt das Prinzip der Non-Direktivität. Es bedeutet, dass in den Gesprächen keine Richtung vorgegeben werden muss, sondern viel mehr soll es eine Begleitung auf dem Weg zur eigenen Lösungsfindung sein. Man muss als Zuhörer*in also nicht die Lösung aller Probleme bereit haben. Dass jemand einfach einmal erzählen dürfe und die Aufmerksamkeit zu hundert Prozent auf dieser Person liege, das sei das Wichtige, sagt Jacqueline. Auf die Frage, was sie den Studierenden gerne mitgeben würde, sagt V., dass es okay sei, Hilfe zu suchen und anzunehmen, auch bei scheinbar kleinen Problemen. «Dem Körper geben wir so viel Sorge, wir gehen in den ASVZ und essen gesund. Das Psychische wird dabei oft vernachlässigt. Probleme auszusprechen, anstatt sie im Kopf herumschwirren zu lassen – das hilft.»