Gemeinsam im Studio des Song «Same as you» aufzunehmen, bereitete allen Freude. Grizzly GmbH/Pigna

«Wir sind wie du»

Menschen mit Beeinträchtigung haben mit der Band Baba Shrimps einen Song geschrieben. Damit möchten sie ihre Sicht der Welt teilen.

29. November 2019

«In dieser Welt gibt es eine Mauer innerhalb der Gesellschaft», sagt Sara. Sie arbeitet bei Pigna, einer Stiftung, die Wohnraum und Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung schafft. Auf der einen Seite stünden diejenigen, die als «normal» bezeichnet würden, auf der anderen diejenigen, die als «behindert» betitelt würden. Doch es gebe keine solche Unterscheidung. «Die Aussage ‹Alle Behinderten sind normal› empfinde ich als Beleidigung», sagt Sara. Sie wünscht sich, dass diese Mauer durchbrochen wird, dass sich Menschen gleich und mit Respekt behandeln.

Ihre Sicht der Welt hat Sara mit anderen Teilnehmenden aus der Pigna und mit der Zürcher Band Baba Shrimps zu einem Song verarbeitet. Das Projekt «Same as you» will herausfinden, was aus diesem Zusammenspiel entstehen kann. Es will aber auch einen Einblick in das Leben dieser Menschen ermöglichen. «Jeder Mensch hat zwar andere Voraussetzungen, aber wir haben dieselben Bedürfnisse, dieselben Gefühle und Sehnsüchte», sagt Adrian von Baba Shrimps. «Wir möchten deshalb die Geschichte von den Menschen aus der Pigna erzählen.»

Individuell und trotzdem gleich

Auch Yannik arbeitet in der Pigna und nimmt am Projekt teil. «Menschen sind grundsätzlich verschieden, wir sind alles Individuen», sagt er. «Genau deshalb sind wir aber eben auch alle gleich, wir sind alles nur Menschen.» Darum gehe es im Lied «Same as you». Mitte November ist dieses nun veröffentlicht worden.

Gefühle und Klänge

Am Pigna-Sommerfest 2018 hatten Baba Shrimps ein Konzert gegeben. Sie waren begeistert über die spontane musikalische Mitwirkung und die Ausgelassenheit, die ihnen dort entgegenkam. Daraufhin beschlossen sie, die beiden Welten auf einer musikalischen Ebene aufeinandertreffen zu lassen. Über Monate haben sie in mehreren Etappen mit Klängen und Instrumenten experimentiert, haben musikalische Elemente im Studio oder bei der Pigna aufgenommen, Gefühle und Ideen gesammelt und diese in den gemeinsamen Song «Same as you» einfliessen lassen.

Das Beste daraus machen

«Viele Ideen für den Song entstanden aus dem Moment heraus und weniger aus dem Kopf», sagt Adrian. Die Teilnehmenden seien spontaner und offener und würden noch intuitiver an die Musik herangehen, als die Bandmitglieder dies an ihren eigenen Proben jeweils täten.

«Wir sind alle nur Menschen»
Projektteilnehmer Yannik

An den Workshops hätten sie viel geredet, erzählt Yannik. Was sie der Welt mitteilen wollten, wie sie sich fühlten, wie sie mit ihrer Beeinträchtigung umgingen und wie sie diese wahrnehmen. Dadurch hätte sich eine Solidarität und Freundschaft unter den Teilnehmenden entwickelt. «Es war schön zu sehen, wie diese Menschen, die teilweise kämpfen müssen, mit ihrem Schicksal gar nicht so hadern», sagt Adrian. Sie hätten eine Gabe, die Umstände, wie sie sind, zu akzeptieren und diese nicht die ganze Zeit zu hinterfragen. «Sie machen das Beste aus dem Leben und jedem Moment – das ist etwas, was man ihnen gerne abschauen möchte.»

Musik berührt die Seele

Anfängliche Berührungsängste waren nach ein paar Proben schnell überwunden; in der Gesellschaft sind solche weniger einfach zu beseitigen. «Schluss mit Diskriminierung und Vorurteilen», fordert Sara. Sie sei schon oft anders behandelt worden, weil die Leute denken würden, sie sei «nicht normal». Es habe Situationen gegeben, in denen man sie ausgelacht hätte wegen ihres Aussehens, ihres Verhaltens oder ihres Handicaps. Es sei ihr Wunsch gewesen, ihre Gefühle in den Song «Same as you» einfliessen zu lassen. Sie empfände dies auch als Erleichterung, mitteilen zu können, was sie schon immer über ihre Behinderung sagen wollte.

«Der Song widerspiegelt unsere eigene Sichtweise auf die Welt, diese möchten wir gerne anderen Menschen vermitteln», sagt Yannik. «Die Musik hat dabei eine gewisse Unmittelbarkeit», sagt Adrian. «Sie kann Menschen ansprechen, die mit einem Thema nicht vertraut oder darauf sensibilisiert sind, aber über den Song oder das Projekt darauf aufmerksam werden.» Sara ergänzt: «Die Musik hat die Kraft, eine Sichtweise zu verändern.» Das Spezielle an der Musik sei eben, dass sie direkt ins Innere, in die Seele gehe, sagt Yannik. Er erzählt von seinem Unfall und wie er für einige Zeit im Wachkoma lag. Die Musik habe ihm damals sehr geholfen.

«Es wird bombastisch»

Der Song habe bereits jetzt eine schöne Resonanz gezeigt, sagt Adrian. Den Abschluss des Projektes krönt aber das Konzert am 20. Dezember im Plaza. Das Projekt stiess auf so grosses Interesse, dass es gar die Location wechseln musste. Yannik meint: «Es wird bombastisch!»

Das Konzert von Baba Shrimps und Pigna findet am 20. Dezember 2019 in der Amboss Rampe Zürich statt.