Jonathan Progin

«Transphobie und Homophobie sind an den Hochschulen präsent»

Über Personen der LGBTIQ*-Community wird viel geschrieben und gesagt. Hier kommen sie selbst zu Wort.

29. November 2019

Timothy Litscher studiert Veterinärmedizin im ersten Semester an der Uni Zürich und ist homosexuell.

«Einmal im Semester können Studierende im Lichthof der Uni Irchel Blut spenden. Homosexuelle Männer dürfen aber nur spenden, wenn sie davor ein ganzes Jahr abstinent leben, also keinen sexuellen Kontakt mit anderen Männern haben. Damit sind sogar Männerpaare ausgeschlossen. Das ist extrem veraltet und kommt von der Vorstellung, dass HIV und andere Geschlechtskrankheiten homosexuelle Krankheiten sind. Das ist ja eindeutig nicht der Fall! Man sollte schon dafür sorgen, dass alle spenden können, wenn sie die gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllen und nachvollziehbare Fristen einhalten. Ich würde gerne etwas Gutes tun, aber ich darf nicht. Das stört mich sehr. Nur weil ich ‹falsch› auf die Welt gekommen bin.»

Gaia Di Salvo studiert Philosophie und Religionswissenschaft im siebten Semester an der Uni Zürich und ist queer.

«Die queeren Vereine an den Hochschulen sind eine wesentliche Unterstützung für das Wohlbefinden und das Gemeinschaftsgefühl der queeren Studierenden. Ich erwarte aber von der Uni strukturelle Unterstützung. Etwas, was deutlich fehlt, sind geschlechtsneutrale Toiletten und Umkleidekabinen, zum Beispiel im ASVZ. Selbst im Hauptgebäude gibt es keine einzige geschlechtsneu-trale Toilette. Mehr Verständnis für nicht-binäre Personen ist mit infrastrukturellen Anpassungen verbunden. Da macht die Uni klar zu wenig. Auch wenn das für einige nicht so nötig klingt, sind es für betroffene Personen extrem wichtige Unterschiede.»

Michelle Huber studiert Politikwissenschaft und Gender Studies im Master an der Uni Zürich und ist queer/bisexuell.

«Ich persönlich habe mich an der Uni nie diskriminiert gefühlt und habe auch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Aber ich weiss von anderen, die Diskriminierung erlebt haben. Bei der Repräsentation von queeren Personen gibt es ausserdem noch einiges zu tun. Mir fällt zum Beispiel die extreme Heteronormativität im Studium auf. Fast alle wissenschaftlichen Texte, die ich im Studium lese, wurden von Cis-Männern geschrieben. Homosexuelle, queere oder trans Personen werden nur selten mitgedacht. Und es regt mich auch auf, dass es Wickeltische mehrheitlich nur auf Frauentoiletten gibt.»

Silvan Heim studiert Humanmedizin im fünften Semester an der Uni Zürich und ist bi- und pansexuell.

Am Medifest hatte ich während meiner Schicht hinter der Bar ein prägendes Erlebnis. Das Thema unserer Bar war Hippies, darum habe ich mich mit einer langhaarigen, blauen Perücke entsprechend verkleidet. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich es spannend fand, meine geschlechtliche Expression zu verändern. Doch während meiner Bar-Schicht musste ich mir Kommentare im Stil von ‹Für wie viel bist du zu haben?› anhören. Diese Kommentare haben sich sehr übergriffig angefühlt. Ich war nicht darauf vorbereitet und konnte mich nicht entsprechend wehren. Es fuhr mir ein, am eigenen Leib zu erleben, wie sich gewisse Leute enthemmt fühlen, übergriffige Sachen zu sagen, wenn andere Leute nicht den

Geschlechternormen entsprechen.»

Alexander Robert Herren studiert Indogermanistik im Master an der Uni Zürich und ist bisexuell.

Auch wenn wir an der Uni sind: Die Diskriminierungsstrukturen hier dringen nicht anders durch als in einem nicht-akademischen Umfeld. Sexismus, Transphobie und Homophobie bleiben präsent an den Hochschulen, hier gibt es immer noch viel Arbeit zu tun. Zum Beispiel muss der Diskriminierungsschutz ausgebaut werden. Auch die Diversity Policies müssen nicht nur unterschrieben, sondern konsequent umgesetzt werden. Die Unis dürfen sich nicht einfach ‹Diversity› auf die Fahne schreiben und Auszeichnungen dafür ergattern. Das bringt uns Betroffenen gar nichts! Wir müssen weg von der Toleranz und hin zur Akzeptanz aller queeren Menschen an der Uni.»