Riccardo Ferrario, Esther Schmid, Ben Zurfluh (v.l.n.r.) vertreten die LGBTIQ*-Vereine. Jonathan Progin

Regenbogenfahnen reichen nicht

Drei Vereine setzen sich für LGBTIQ*-Rechte an Hochschulen ein. Es gibt noch viel zu tun.

29. November 2019

Vor 30 Jahren wollte eine Gruppe an der Uni Zürich den Verein zart&heftig (z&h) für schwule und bisexuelle Studenten gründen. Für die rechtliche Anerkennung des Vereins kämpften sie damals zwei Jahre lang. Heute vertritt z&h nicht nur die Rechte von schwulen und bisexuellen Männern. Zusammen mit L-Punkt, dem Verein für lesbische, bisexuelle und queere Frauen*, und queer*z, dem Verein für alle queeren Studierenden, setzen sie sich für die Sensibilisierung von LGBTIQ*-Themen an den Hochschulen ein.

Z&h und L-Punkt kümmern sich mehrheitlich um Veranstaltungen und schaffen «safe spaces» für ihre Mitglieder. «Wir haben den Luxus, nicht mehr dafür kämpfen zu müssen, dass Homosexuelle an den Hochschulen geoutet leben können und sich nicht vor struktureller Diskriminierung fürchten müssen», sagt Esther Schmid, Präsidentin von L-Punkt. Queer*z repräsentiert in dieser Runde das politische Pendant. «Wir sehen uns als hochschulpolitisches Sprachrohr für alle queeren Anliegen. Momentan setzen wir uns aber am aktivsten für die Anliegen von trans Menschen und speziell nicht-binären trans Menschen ein, weil sie am stärksten benachteiligt sind», erklärt Ben Zurfluh von queer*z.

Mindestanforderungen an Hochschulen

Ein Problem sind fehlende Toiletten. «Geschlechtsneutrale Toiletten und Duschen an den Hochschulen sind eine Mindestanforderung, damit sich nicht-binäre Menschen wohlfühlen können», so Ben. Ausserdem müsse die Möglichkeit bestehen, offizielle Dokumente mit neutralem Geschlechtseintrag erhalten zu können und die Änderung von Namen und Anrede selbst zu bestimmen – und zwar ohne ein psychologisches Gutachten zu benötigen.

An der Uni ist Letzteres seit diesem Jahr möglich, an der ETH sind Betroffene immer noch auf ein psychologisches Gutachten angewiesen, bevor sie ihren Namen an ihr Gender anpassen dürfen. Ein geschlechtsneutraler Eintrag auf allen Dokumenten ist bis anhin an keiner Hochschule möglich. An der ETH sind seit kurzem immerhin die Legis geschlechtsneutral. Die Verbände haben vor kurzem eine Online-Petition lanciert, um die Einführung von geschlechtsneutralen Toiletten an allen Zürcher Hochschulen zu beschleunigen.

Mehr als institutionelle Veränderung

«Die genannten Forderungen betreffen institutionelle Strukturen, die es zu ändern gilt. Aber auch das Klima an den Hochschulen spielt eine grosse Rolle. Dieses zu verändern ist ein längerer Prozess», betont Ben. Deshalb sei auch die Sensibilisierung für Gender-Themen mit Hilfe von Workshops, Vorlesungen für alle und interner Bildung umso wichtiger. Nur so könne ein inklusives Umfeld geschaffen werden, das weniger weiss und maskulin dominiert sei. Queere Anliegen und Gleichstellung von Frauen und anderen Minderheiten sind somit eng verknüpft.

Für die Anliegen der LGBTIQ*-Community sind an der Uni die Abteilung für Gleichstellung und Diversität und an der ETH Equal zuständig. Die Vereine waren mit beiden Anlaufstellen bereits in Kontakt, um eine gemeinsame Zusammenarbeit zu besprechen. «Die Kooperation mit der ETH und der Uni unterscheiden sich aber», stellt Esther fest. Die Abteilung der Uni sei bis jetzt verständnisvoll und kooperativ, auch wenn bürokratische Hürden ihnen Probleme bereiten würden. Letzen Sommer hat die Uni einen Umsetzungsplan für ihre Diversity Policy erlassen. «Durch diese Policy erhält sie einen offiziellen Auftrag, sich verstärkt mit Inklusion aller und der Sensibilisierung für LGBTIQ*-Themen einzusetzen», so Esther. Das sei zumindest ein Anfang.

Erste Schritte der Hochschulen

Christiane Löwe, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Diversität der Uni, beteuert, dass sie mitten in der Umsetzungsphase seien: «Bei den neu geplanten Gebäuden sind Forderungen nach geschlechtsneutralen Toiletten, Duschen und Umkleidekabinen in die Planung eingeflossen. In bereits bestehenden Gebäuden arbeiten wir noch an einer guten Umsetzung, die für alle funktioniert.» Die geschlechtsneutrale Erfassung im SAP-System sei hingegen noch nicht möglich. Momentan sei aber ein neues Legi-Konzept kurz vor dem Abschluss, nach dessen Erlass alle Legis geschlechtsneutral ausgestellt werden, ergänzt Tanja Neve-Seyfarth, Projektleiterin für Transidentität.

Bei Equal, der Anlaufstelle der ETH, sind bis jetzt weniger Fortschritte erkennbar: «Bis zu einem gewissen Punkt sind der Abteilung die Hände gebunden», so Esther. Denn trotz dem riesigen Budget der ETH habe Equal nicht besonders viel Geld zur Verfügung. Aber sie erwecke auch nicht den Eindruck, besonders starkes Interesse an der Thematik zu haben. Mit der Erhaltung einer Gleichstellungsabteilung alleine sei die Arbeit nämlich noch nicht getan. Das bestätigt auch Riccardo Ferrario, Präsident von z&h: «Während der Pride hat die ETH die Regenbogenfahne als Zeichen für Inklusion aufgehängt.» Das sei sicherlich wichtig und gut. Aber es brauche noch mehr, um sich als inklusive Hochschule porträtieren zu können.

Veränderung in Sicht?

Gesten, die die Unterstützung von LGBTIQ*-Themen symbolisieren, könnten den Hochschulen als «pink washing», also als Imageverbesserung, dienen. Schade sei, wenn sich institutionell wenig verändern würde, ergänzt Ben. Denn konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Situation fehlen von Seiten der ETH. Die Abteilung für Gleichstellung verfügt seit 2014 über einen Gender Action Plan, der sich der Gleichstellung von Frau und Mann verschrieben hat. Andere Formen der Diskriminierung sind darin jedoch nicht vermerkt. Auf Nachfrage beteuert die Abteilungsleiterin Renate Schubert: «Mehrere Stellen der ETH Zürich sind im ständigen Austausch mit queer*z und arbeiten gemeinsam an konkreten Umsetzungsschritten zur Verbesserung der Situation.»

Institutionen seien durch ihre Grösse und Heterogenität langsam und hätten Mühe, Veränderung umzusetzen, so Ben. «Es würde aber schon helfen, wenn die Schulleitung sich zur dritten Geschlechtsoption und den damit verbundenen Massnahmen äussern würde.» In diesem Jahr haben die Hochschulen zumindest erste Versuche gestartet: Beide sind «trans welcome» beigetreten, einer Plattform, mit der sie sich verpflichten, ein inklusiveres Umfeld für trans Menschen zu schaffen. Ein erster Schritt in Richtung mehr Inklusion? Nun gilt es zu zeigen, dass es sich dabei nicht bloss um einen symbolischen Akt, sondern um eine tatsächliche Veränderung handelt.