ETH-Magazin streicht kritischen Beitrag
Das ETH-Mitarbeitendenmagazin «life» veröffentlichte kürzlich eine Ausgabe zum Thema «diversity». Dabei kürzte die Redaktion eine kritische Stellungnahme des Vereins queer*z.
Die Oktober-Ausgabe des ETH-Mitarbeitendenmagazins «life» trägt den Titel «built on diversity». Dem Thema sind vier Seiten gewidmet. Der queere Uni- und ETH-Verein queer*z wurde dazu für ein Gespräch zur Inklusion von trans Menschen an der ETH angefragt. Denn nebst Stimmen zum Stand von Rollstuhlzugänglichkeiten und der Gleichstellung der Geschlechter an der ETH sollten auch queere und trans Menschen zu Wort kommen.
Laut Verein hat das Gespräch stattgefunden, ein Zitat daraus wurde aber nie veröffentlicht. Der von der Redaktion des ETH-Magazins genannte Grund: Er trage nicht zu einem konstruktiven Diskurs bei. Anna Maltsev, Chefredaktorin des Magazins, sagt, in der Titelgeschichte der aktuellen «life»-Ausgabe sei es der Redaktion ein grosses Anliegen gewesen, die positiven Aspekte von Diversität und Inklusion aufzuzeigen und möglichst vielen verschiedenen Minderheiten eine Stimme zu geben. «Der Artikel sollte das Bewusstsein für Anliegen von Minderheiten stärken und zu einem konstruktiven Diskurs beitragen.» Dafür hätten sie mit vielen Menschen über das Thema gesprochen und ihre Perspektiven einbezogen. «Dabei will ich auch Kritik an der ETH zulassen und öffentlich machen.» Doch die Kritik von queer*z sei «nicht konstruktiv gewesen und liess sich durch unsere Recherchen nicht erhärten».
«Aussagen in den Mund gelegt»
Die Vertreter*innen von queer*z fühlten sich bereits während des Gesprächs nicht verstanden. «Erklärungen unsererseits darüber, auf welche Arten wir an der ETH strukturelle Diskriminierung erleben – beispielsweise durch das Fehlen geschlechtsneutraler Toiletten oder eines dritten Geschlechtseintrags auf Studierendenausweisen für nicht-binäre Studierende – wurden abgetan. Stattdessen hätten sie das Gefühl gehabt, dass ihnen Aussagen in den Mund gelegt wurden, die implizierten, dass sie sich an der ETH wohl fühlten. Und dies, obwohl sie mehrfach ausgedrückt hätten, dass dies nicht der Fall sei.
«Auf der ETH-Website findet sich eine Auflistung mit allen geschlechtsneutralen WCs. Und die Änderung von Dokumenten ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bereits seit 2013 an der ETH möglich», entgegnet Maltsev. Deswegen habe sie das Zitat nicht so übernehmen wollen. Stattdessen sollte das Zitat wie folgt lauten:
«Diversität löst deshalb auch viele Fragen aus. Soll ich mehr arbeiten, weil mein Kollege psychische Probleme hat? Was, wenn sich meine Gebetszeiten mit der Gruppenarbeit überschneiden? Und muss ich jetzt bei non-binären Menschen, also Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen, wirklich komplett auf Pronomen verzichten? Ein Mensch, der zur letzten Frage eine klare Meinung hat, ist ein non-binäres Vorstandsmitglied beim etwa 50 Mitglieder zählenden Verein queer*z. «Unser Hauptanliegen ist die Inklusion von queeren Menschen. Inklusion bedeutet, dass die Vielfalt Normalität wird. In diesem Sinne würde ich mir wünschen, dass die heute noch sonderbar anmutende Ansprache ohne Pronomen irgendwann als ganz normal akzeptiert wird – einfach aus Respekt Menschen wie mir gegenüber.»»
Gegen dieses Zitat wehrten sich die beiden von queer*z. «Es stellt aus unserer Sicht die Situation von trans Studierenden und Mitarbeitenden der ETH falsch dar», erklären sie. Beispielsweise würden keine Hürden, die trans Menschen an der ETH zu bewältigen haben, genannt. Zudem stelle das Zitat einen Inklusionsbegriff dar, den queer*z nicht vertrete. «Der Artikel spielt reale Diskriminierung herunter und beschönigt.»
Problem: Kritik?
Also schlug queer*z ein neues Statement vor:
«Inklusion bedeutet die Abschaffung von diskriminierenden Strukturen. Menschen mit den für sie falschen Pronomen anzusprechen, ihnen den Zugang zu WCs zu verweigern oder keine dritte Geschlechtsoption auf Uni-Dokumenten zuzulassen ist Diskriminierung. In diesem Sinne würde ich mir wünschen, dass die Ansprache ohne Pronomen akzeptiert wird – einfach aus Respekt Menschen wie mir gegenüber.»
Da dieses Zitat laut der «life»-Redaktion unhaltbare Behauptungen enthielt und die Redaktion der Überzeugung war, dass es sich unter Umständen als «Bumerang für die Anliegen der LGBTQ+-Community» erweisen könnte, entschied sie sich, auf dieses Zitat zu verzichten. «Wir bedauern es sehr, dass unser Interviewpartner von queer*z mit seinem Zitat nicht einverstanden war, wir keinen Kompromiss finden konnten und queer*z daraufhin das Zitat komplett zurückgezogen hat», lautet die offizielle Stellungnahme der Redaktion. Der queere Verein versteht diesen Entschluss nicht. «Aus unserer Sicht sind die Antworten auf die Interviewfragen sehr konstruktiv», so queer*z. Sie würden etwa konkrete Änderungen vorschlagen, die die ETH unternehmen könnte, um die Situation von trans Studierenden und Mitarbeitenden zu verbessern.
Fehlende Strukturen
Dass das Magazin die Kritik des Vereins nicht veröffentlichen will, stellt für queer*z eine weitere Form der alltäglichen Diskriminierung als trans Person dar. «Eine dritte Option beim Geschlechtseintrag kennt die ETH Zürich, wie auch die Uni Zürich, leider nicht», gibt queer*z zur Auskunft. Auch gäbe es an beiden Hochschulen nicht systematisch geschlechtsneutrale Toiletten. «Es existieren zwar hindernisfreie Toiletten, die zum Teil nicht geschlechtsspezifisch sind. Allerdings sind diese nicht in allen Gebäuden vorhanden.»
Abgesehen davon sei es schlussendlich eine Willensfrage. «Es wäre ein Leichtes, beispielsweise in jedem ETH-Gebäude einige Toiletten zu geschlechtsneutralen Toiletten umzuschreiben», so queer*z. Der Verein habe dem ETH-Rektorat im Frühjahr angeboten, dies in einem Pilotprojekt zu versuchen. «Für die ETH wären also keine Kosten entstanden.» Dieser Vorschlag sei aber abgelehnt worden.
Imageverbesserung statt Dialog
Für queer*z steht fest, dass das ETH-Magazin keine Aussagen veröffentlichen wollte, die ein schlechtes Licht auf den Umgang der Hochschule mit Minderheiten werfen. «Mit einem Frauenanteil von 32% auf Stufe der Studierenden und 13% auf Stufe der Vollprofessuren ist klar, dass die ETH in Sachen Diversität und Inklusion ein Problem hat», findet der queer*z-Vorstand.
Im «life»-Artikel kommt z&h-Präsident Riccardo Ferrario nun ausführlicher zum Thema trans zu Wort als ursprünglich geplant. Matslev sagt dazu: «Es war uns sehr wichtig, zu zeigen, dass in Bezug auf die Akzeptanz und Inklusion von Trans*Menschen noch Handlungsbedarf besteht.» Deswegen habe die Redaktion Ferrarios Zitat hervorgehoben. Sie bedauert die «Missverständnisse in Bezug auf die Entstehung des Artikels». «Wir möchten diese aus dem Weg räumen und weiterhin in einem konstruktiven Dialog stehen, deshalb haben wir queer*z auch ein persönliches Gespräch angeboten», gibt sie zur Auskunft.
Doch für queer*z ist klar: Um das Image der Institution aufzubessern, habe das Magazin trans Menschen benötigt, die positiv von der ETH erzählen. «Leider spiegelt das nicht die Realität unserer Erfahrungen wieder.» Dass die ETH die Kritik nicht zulassen wolle, sei schade. «Denn solange diese Probleme nicht angesprochen werden, wird sich für uns und andere Minderheiten sowie für Frauen nichts ändern.»