Basrie Sakiri-Murati wurde im Kosovo geboren und emigrierte wegen politischer Aktivitäten in die Schweiz. Julia Höntzsch

Spuren der Flucht

19. Mai 2019

Buch — «Ich bin im Ausland. Ich will versuchen, zu erzählen, wie ich bis hierher gekommen bin, aber ob es mir gelingt, weiss ich nicht.» Basrie Sakiri-Murati ist gerade einmal 19 Jahre alt, als sie 1990 im Schweizer Exil mit der Niederschrift ihrer Erinnerungen beginnt, die den ersten Teil ihrer Autobiografie «Bleibende Spuren» ausmachen. Schreibend will sie die Erlebnisse verarbeiten, «damit sie mich nicht länger quälen»: Nach der Teilnahme an einer Demonstration gegen das serbische Regime, bei der eine ihrer Mitstreiterinnen erschossen wird, geht die Gymnasiastin in den Untergrund. Wochenlang ist sie unterwegs, hastet von einem Versteck ins nächste, bis sie schliesslich in die Schweiz flüchtet.

Ihre Schilderungen sind politisch, es reiht sich Schlagwort an Schlagwort: «Freiheit», «Tapferkeit», «Stolz». Diese Sprache vermittelt einen Eindruck der Ohnmacht, des Schocks, aber auch der Dankbarkeit gegenüber ihren Helferinnen. Gleichzeitig bleiben deshalb ihre Freundinnen, Verwandten und Nachbarinnen – und ihre eigenen Wünsche und Ängste jenseits des Politischen – schemenhaft und eindimensional. Auch die zugrundeliegenden historischen Entwicklungen werden in ihrer Autobiografie nur knapp behandelt – ohne Vorwissen über die Geschichte Jugoslawiens fällt es nicht immer leicht, die Erzählungen einzuordnen.

Der erste Teil wurde vor drei Jahren im Kosovo veröffentlicht, für die deutsche Ausgabe übersetzt und mit einem zweiten Teil über ihr Leben in der Diaspora ergänzt. Sakiri-Murati kämpft darum, ein emanzipiertes Leben zu führen. Dieses Ringen findet im Spannungsfeld von Unterstützung und Alltagsrassismus, einem beherrschenden Ehemann und der Sehnsucht nach der Familie im Kosovo statt. Die skizzenhaften Menschen aus ihrer Jugend nehmen Farbe an, während deren Welt vom düsteren Chaos des Kosovokrieges verschlungen wird. Erst auf den letzten Seiten des Buches zeichnet sich eine langsam einkehrende Ruhe im Leben der inzwischen geschiedenen Wahlbernerin ab. Es ist ein direktes, intimes, zuweilen rohes Lebenszeugnis – das Wandeln auf dem Pfad entlang Sakiri-Muratis Spuren der Erinnerung hinterlässt dabei ebenso Spuren.

Basrie Sakiri-Murati: «Bleibende Spuren». Rotpunktverlag, erschienen am 30. April.

In der Ausgabe #3/19 wird durchgehend das generische Femininum verwendet. Anlass ist der nationale Frauenstreik vom 14. Juni, der Thema dieser Ausgabe ist.