Ohne Bienchen und Blümchen
Der Studentinnenverein Achtung Liebe klärt Schulklassen auf.
Achtung Liebe hat es sich zur Aufgabe gemacht, Schulklassen zu besuchen und sexuelle Aufklärung zu betreiben. Müsste das nicht die Aufgabe der Lehrerinnen sein? Doch. Aber der Unterricht mit den Lieblerinnen, wie sich die Mitglieder der Organisation nennen, hat einen entscheidenden Vorteil: Sie schaffen eine viel lockerere Atmosphäre im Klassenzimmer. Die Schülerinnen trauen sich dadurch eher, Fragen zu stellen, die im normalen Unterrichtsalltag nicht gestellt würden. Das Wissen, dass die Aufklärerinnen nach dem Einsatz nicht wie die Lehrerinnen wieder vor der Klasse stehen werden, senkt die Hemmschwelle fürs Fragenstellen zusätzlich. «Die Schülerinnen schätzen, dass wir jünger sind. Wir sind zwar schon Erwachsene, aber nicht dieses Vater- oder Mutter-Erwachsen», sagt André Alder. Er ist langjähriges Mitglied bei Achtung Liebe und im Vorstand für den Raum Zürich.
Ehrenamtlich tätig
Achtung Liebe ist eine Non-Profit-Organisation bestehend aus Studentinnen, die sich für einen zeitgemässen, altersgerechten Aufklärungsunterricht einsetzen und auch für die Gleichberechtigung der LGBTQ+-Community einstehen. Die Organisation wird vor allem von Studentinnen der Fächer Medizin, Psychologie und Biologie getragen, doch steht die Mitgliedschaft allen Studentinnen offen. Wer Interesse hat mitzumachen, absolviert einen Workshop, bei dem einerseits Ärztinnen die medizinischen Fakten erläutern und andererseits speziell ausgebildete Achtung-Liebe-Mitglieder den Interessierten beibringen, wie man dieses Faktenwissen den Kindern und Jugendlichen altersgerecht vermittelt. Danach sind sie bereit für Einsätze in Primar-, Sekundar- und Gymnasialschulklassen in Basel, Bern und Zürich. Im Raum Zürich verzeichnet die Organisation rund 80 aktive Mitglieder. Aufgrund positiver Feedbacks von allen Seiten ist das Interesse nach Achtung-Liebe-Aufklärungen in den letzten Jahren stark angestiegen. Auch deshalb ist die Organisation froh um jedes neue Mitglied.
Wie läuft ein Schuleinsatz ab?
Die Zweierteams, die zusammen einen Schuleinsatz bestreiten, bestehen immer aus einer Studentin und einem Studenten. Die Lehrerin darf während der Lektion nicht anwesend sein. In aller Regel findet der Kurs während vier Lektionen am Vormittag statt. Nach einem kurzen Einstieg, bei dem anatomische und physiologische Grundlagen vermittelt werden, werden der Zyklus der Frau und die Schwangerschaft thematisiert. Hervorgehoben wird, dass eine Frau immer schwanger werden kann und Verhütung deshalb zu jedem Zeitpunkt das A und O ist. Kondome, die Antibabypille, die Spirale und andere Verhütungsmittel werden gezeigt und erläutert. Dann dürfen die Schülerinnen in Zweierteams an einer Banane üben, wie man das Kondom richtig anwendet. Unter anderem werden auch sexuell übertragbare Krankheiten angesprochen. Jedoch werden diese mit dem Ziel, die Schülerinnen und Schüler zu informieren, vermittelt und nicht, um unnötig Angst zu schüren. Im zweiten Teil des Schuleinsatzes kommen Themen wie Pornographie, sexuelle Orientierung und Sexting zur Sprache.
Die Reaktionen sind laut Achtung Liebe durchwegs positiv. Die Klassen seien interessiert und schätzten die altersgerechte und gleichzeitig lockere Aufklärung. Das ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass nicht nur Aufklärungsunterricht im klassischen Sinne betrieben wird, sondern zeitgemässe Aspekte wie die Pornographie im digitalen Zeitalter oder die Diversität sexueller Identitäten in den Schulunterricht miteinfliessen.
In der Ausgabe #3/19 wird durchgehend das generische Femininum verwendet. Anlass ist der nationale Frauenstreik vom 14. Juni, der Thema dieser Ausgabe ist.