Für die Umsetzung der Bologna-Ziele werden Freiheiten auf Bachelorstufe geopfert. Noemi Ehrat

Studium mit engen Leitplanken

Im Herbst tritt die Studienreform «Bologna 2020» in Kraft. Die Studiengänge der Philosophischen Fakultät sollen damit vereinheitlicht werden.

14. April 2019

Ziel der Bologna-Erklärung war von Anfang an, Studienleistungen europaweit vergleichbar und einheitlicher zu machen. Nun steht im Herbstsemester 2020 die dritte Reform in Form von «Bologna 2020» an. Dies bringt einige Änderungen mit sich, die besonders kleine Fächer betreffen. So werden etwa alle kleinen Nebenfächer und 90-Punkte-Hauptfächer abgeschafft. Studierende können fortan nur noch ein Haupt- und ein Nebenfach wählen. Analog zu den Veränderungen auf der Bachelorstufe wird auch im Master auf die Kombination grosses Haupt- und kleines Nebenfach gesetzt. Alternativ werden einige spezialisierte Mono-Master im Umfang von 120 ECTS angeboten. Dies basiert auf der neu betonten «Zweistufigkeit» des Studiums. Der universitäre Bachelor soll – der nationalen Vorgabe folgend – generalistisch sein, während der spezialisierte Master mehr Möglichkeiten bietet. Laut Daniel Müller Nielaba, Studiendekan der philosophischen Fakultät, soll der Bachelor damit aufgewertet werden. «Wir haben gelernt, dass der Bachelor als Studienabschluss beliebter ist als gedacht», so Müller Nielaba. Für diese Aufwertung musste ein Preis bezahlt werden: «Wir haben die 120-Punkte-Hauptfach-Programme so strukturiert, dass die Breite, die für den Übertritt in einen spezialisierten Master vorausgesetzt wird, gegeben ist», erklärt der Studiendekan. Böse Zungen würden behaupten, dass dies eine weitere Form der Verschulung sei. «Wir finden aber, dass die Reform diesen Preis wert ist.»

Doch die Vereinheitlichung der Studienprogrammgrössen ist nicht die einzige Änderung. Denn durch das Wegfallen der kleinen Nebenfächer ändert sich auch das Studienangebot. Einige Fächer, die bisher nur als Nebenfach angeboten wurden, mussten in andere Studienprogramme integriert werden. So wird etwa das bisherige Studienprogramm «Geschichte und Theorie der Fotografie» in die Kunstgeschichte aufgenommen. «Alle Studienprogramme, die wir bisher angeboten haben, sind weiterhin studierbar», betont Müller Nielaba.

Studium generale ade

Die «Erhaltung der fakultären Vielfalt» ist einer von drei Grundsätzen, auf denen das Reformprojekt beruht. Damit dies auch eingehalten wurde, setzten die Verantwortlichen die Arbeitsgruppe der Studienkonferenz entsprechend zusammen. «In der Arbeitsgruppe wollten wir eine starke Vertretung von kleinen Fächern», erklärt Müller Nielaba. So seien Japanologie, Archäologie, Skandinavistik und Indologie vertreten gewesen. «Wir wollten damit sichergehen, dass wir denen keine Gewalt antun.» Der Gedanke hinter der Abschaffung der kleinen Nebenfächer war, dass eine zu frühe Spezialisierung nichts bringe. Dies sei in Absprache mit den entsprechenden Professuren und Instituten erfolgt. «Im Fall des Mittellateins hat uns die betroffene Professorin zugestimmt, dass es klüger ist, die Spezialisierung Mittellatein erst auf Masterstufe anzubieten», sagt Müller Nielaba. Auch das Fach «Geschichte und Theorie der Fotografie» wurde in Absprache mit dem Kunsthistorischen Institut abgeschafft. Es besteht zwar die Möglichkeit, Module zur Fotografie zu belegen. Aber eben nur im Rahmen eines kunstgeschichtlichen Studiums. Denn das Studium generale hat die Reform auch nicht überlebt. Laut Müller Nielaba hatte es sich nicht bewährt.

Wer künftig über den Tellerrand der eigenen Fächerkombination blicken will, muss das ohne die Anerkennung durch ECTS-Punkte machen. Für ausserfakultäre Studierende gibt es neu eine Liberal-Arts-Option, bei der sie im Umfang von 30 Credits Module an der Philosophischen Fakultät belegen können. Eine vergleichbare Option für Studierende der Philosophischen Fakultät gibt es hingegen nicht.

Gegen Verschulung des Studiums

Der zweite Leitgedanke der Reform lautet «Herstellung von Transparenz». «Wir haben für jedes Programm ein Übergangsszenario und eine entsprechende Äquivalenztabelle erarbeitet», erklärt der Studiendekan. Damit soll den Studierenden der Übertritt in die neue Studienform erleichtert werden. Denn «Bologna 2020» kann für diejenigen, die schon vor dem kommenden Herbstsemester immatrikuliert waren, bedeuten, dass einzelne Pflichtmodule wegfallen oder in veränderter Form daherkommen. Sind bald viele dieser Studis im Bologna-Limbo gefangen? «Wir dürfen die Anforderungen für die Studierenden erleichtern, aber nicht erschweren», sagt Müller Nielaba dazu. Ein Pflichtmodul zu erlassen sei machbar, eines zusätzlich aufzubrummen hingegen nicht. «Wenn es partout nicht anders geht, kann man in Einzelfällen ein Modul durch eine schriftliche Arbeit ersetzen.»

Auch Teilzeitstudierende seien in den Überlegungen zu «Bologna 2020» berücksichtigt worden. «Für die sollte sich nichts ändern», versichert der Studiendekan. Allerdings könnten sie von der Vereinheitlichung der Modulgrössen und Prüfungsleistungen betroffen sein. ECTS-Punkte für Module sollen künftig immer durch drei teilbar sein – kleinere Module, die bei erwerbstätigen Studierenden besonders beliebt waren, soll es nicht mehr geben. Und auch Drei-Punkte-Kurse sollten nur noch vereinzelt vorkommen. «Wir sind zum Schluss gekommen, dass die bisherige Kleinteiligkeit des Studiums eine schlechte Form der Verschulung war», so Müller Nielaba. «Die Zerstückelung des Studiums in kleinteilige Module führte dazu, dass man den Unterschied zum Gymnasium fast nicht mehr wahrnimmt.» Studis müssen sich somit auf grössere Leistungsnachweise gefasst machen.

Einheitliche Zukunft

Der dritte Grundsatz der Reform heisst schliesslich «Gestaltung von Zukunftsfähigkeit». Einerseits bedeutet das, dass für jedes Bachelor-Studienprogramm ein Anschlussprogramm auf Masterstufe angeboten wird. Andererseits soll für Interessierte auf den generalistischen Bachelor ein spezialisierter Master folgen – und damit Studierende von anderen Universitäten nach Zürich locken. «Wir wollen auf Masterstufe interessierte Leute dazu animieren, bei uns zu studieren», sagt Müller Nielaba. «Ich bin mir ziemlich sicher, dass Leute auch aufgrund attraktiver spezialisierter Master-Studienprogramme nach Zürich kommen.»

Die Grundlage für «Bologna 2020» war mit der Musterrahmenverordnung vom 4. Juli 2016 gegeben. «Wir sahen, dass die nötigen Anpassungen eindeutig zu gross waren für mehrere kleinere Änderungen», erklärt Studiendekan Müller Nielaba. «Man kann nicht jeder zweiten Generation von Studierenden zumuten, dass es schon wieder einen gewaltigen Wechsel gibt.» Nun hofft er, dass das mit «Bologna 2020» gelegte neue Fundament die nächsten 15 Jahre halten wird. Dazu muss fortlaufend Bilanz gezogen werden. Der neuen Generation von Studierenden, die im kommenden Herbst ihr Studium aufnehmen werden, wird das wohl egal sein. Für sie ist das Lizenziat ein unbekannter Begriff und auch das Studium generale werden sie nie gekannt haben. Schade, eigentlich.