Die Mobilität der Profs und Gäste der Uni verursacht die meisten Treibhausgasemissionen. Noemi Ehrat

8'299 Tonnen CO2

Der Nachhaltigkeitsbericht der Uni Zürich zeigt: Flugreisen müssen vermindert werden. Nicht alle Profs sind dafür.

14. April 2019

Eine Million in der Mensa verkaufte Menüs, 111 Tonnen bedrucktes Papier, knapp 1'184 Tonnen Betriebskehricht, 667'000 ausgegebene Einwegkaffeebecher – so die Bilanz der Uni für das Jahr 2018. Und das sind noch nicht einmal die grössten Umweltbelastungen, die durch den Betrieb verursacht werden. Die Uni gehört zu den 20 grössten Energiekonsumierenden auf dem Gebiet der Stadt Zürich und trägt damit entsprechend Verantwortung. Ihr enormer Energieverbrauch entspricht dem von 6'800 Schweizer Haushalten. Die Grundsätze der Universität Zürich verlauten, dass die Institution «zu einer regionalen und globalen nachhaltigen Entwicklung» beitragen und diesen Beitrag systematisch ausbauen will. Um dies umzusetzen, wurden 2014 ein Nachhaltigkeitsteam und eine Kommission geschaffen.

Keine konkreten Massnahmen

«Vernetzungsarbeit ist ein wichtiger Teil der Kommission», sagt Dagmar Püntener, die die Studierenden in der Kommission vertritt. Durch den Austausch könnten Ideen geteilt und die Behebung von Missständen diskutiert werden. Die Kommission biete die Möglichkeit, einem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen. Die Studierendenvertretung wird dabei sehr ernst genommen. So ist die Sustainability Policy, die anfangs April veröffentlicht wurde, eine direkte Folge der Forderungen der Nachhaltigkeitswoche des VSUZH und deren Forderungspapier «Agenda 2030». Dass erst jetzt etwas ins Rollen kommt, erstaunt dennoch, hat die Nachhaltigkeitswoche ihre Forderungen doch bereits 2016 erstmals verlauten lassen.

Da die Sustainability Policy keine konkreten Massnahmen vorsieht, sondern nur eine grobe Zielsetzung ist, sollen zwei Umsetzungsstrategien daran anknüpfen. Eine davon wird sich auf die Lehre und Forschung beziehen. Dabei sieht Lorenz Hilty, Delegierter für Nachhaltigkeit der Uni Zürich, vor allem in der Lehre Verbesserungspotenzial: Es fehle ein «breiteres, übergeordnetes Angebot an Lehrveranstaltungen, das sich an alle Studiengänge richtet». Damit würde ein systemisches Verständnis für die Zusammenhänge in der Welt geschaffen, das die Grundlage nachhaltigen Handelns sei. Das zweite Dokument wird den Betrieb und die Infrastruktur in die Pflicht nehmen. Es wird sich explizit auch auf einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht stützen, der nun vorliegt: Er zeigt, wo die Uni im Verhältnis zu einem Nachhaltigkeitsstandard steht. Immerhin ist die Uni damit eine Vorreiterin unter den kantonalen Universitäten. Trotzdem lassen konkrete Umsetzungen noch auf sich warten.

100 Prozent nachhaltiger Strom

Es sei kein leichtes Unterfangen, «einen Prozess in Gang zu setzen, der von den Leuten auch mitgetragen wird», sagt Hilty. Es sei ihm deshalb ein Anliegen, dass sich die Studierenden an der kommenden Vernehmlassung beteiligen würden. «Wir brauchen jede Unterstützung, damit wir genug scharfe, genug konkrete Massnahmen ergreifen können.» Er hofft darauf, dass die Nachhaltigkeitskommission des VSUZH und andere Vereine der Uni als Sprachrohr der Studis fungieren werden.

Es spricht für die Uni, dass trotz der zunehmenden Anzahl Räumlichkeiten sowie steigender Studierenden- und Mitarbeitendenzahlen der Energieverbrauch seit 2008 insgesamt nur um zwei Prozent gestiegen ist. Die Photovoltaikanlagen der Uni stellen gar 70 Prozent des Elektrizitätsbedarfs, die restlichen 30 Prozent stammen von auswärtigen erneuerbaren Energieträgern. Trotzdem sind die insgesamt 120 Gigawatt Energie, die die Uni 2018 verbraucht hat, immer noch zu viel. Die verdichtete Nutzung der Gebäude in Form der Zwei-Standorte-Strategie soll das weiter optimieren.

Fliegen, ein kontroverses Thema

Knapp 30'000 Studierende und mehr als 9'200 Mitarbeitende gehen täglich ein und aus in den 213 Gebäuden und 23'100 Räumen, die zusammen die Uni beherbergen. Dass sie Austragungsort einer riesigen Materialschlacht ist, kann allerdings fast vernachlässigt werden in Anbetracht der drei grössten Verursacher der CO2-Emissionen: die Bereitstellung des Mensaessens, die Strom- und Wärmeversorgung und allem voran die Flugreisen der Mitarbeitenden und der Gäste. Letzere machen 36 Prozent aller CO2-Emissionen der Uni aus.

Fliegen sei paradoxerweise ein «sehr kontroverses Thema», sagt Hilty, obwohl man um die enorme Umweltbelastung sehr wohl Bescheid wisse. Das Energiegesetz des Kantons Zürich strebt für den Klimaschutz an, dass ab 2050 pro Person und Jahr nur noch 2,2 Tonnen CO2 ausgestossen werden sollen. Ein Flug von Zürich nach New York setzt allerdings bereits 2,5 Tonnen Treibhausgase frei. Fliegen dürfte man also nicht mehr. Trotzdem hört Hilty bei Gesprächen unter Forschenden immer wieder heraus, wie sensibel das Thema ist. Ein häufiges Argument: Die Qualität der Forschung leide, wenn man an internationalen Konferenzen nicht physisch präsent sei. Erst ab 8'700 Stunden Internet-basierter Videokonferenz in HD-Qualität würde sich klimatechnisch ein Flug nach New York lohnen, wie eines der vielen Factsheets des Nachhaltigkeitsteams zeigt. Obwohl die virtuelle Präsenz nicht alle Aspekte eines persönlichen Treffens ersetzen kann, müssen Lösungen her.

«Besser spät als nie»

Lieber verliert man sich in Kleinigkeiten. Nicht immer sei aber eindeutig, dass eine Umstellung auch umweltfreundlicher ist, gibt Hilty zu bedenken. Würden zwei Drittel der Studierenden die halbjährlichen Leistungsnachweise, die nun elektronisch verschickt werden und immerhin 2,5 Tonnen CO2-Emissionen vermeiden könnten, zu Hause an ihrem individuellen Drucker ausdrucken, wäre die Umweltbelastung schliesslich grösser, als wenn dies durch die Uni geschieht. «Solche Szenarien müssen sorgfältig berechnet werden, sie führen zu komplizierten Diskussionen», sagt Hilty. Auch der kleinste Schritt sei ein Schritt in die richtige Richtung. Der Aufwand bewirke im Verhältnis aber wenig, während das Fliegen fast ein Tabuthema sei, obwohl der Einfluss auf die Umwelt eindeutig sei. Eine Einschränkung des Fliegens sei schwierig, schliesslich betreffe es auch die Freiheit der Forschung und Lehre, die man aus guten Gründen nicht einschränken dürfe, es entstehe ein Zielkonflikt. Wo die Nachhaltigkeitskommission bisher nicht weiterkommt, appelliert sie an die Selbstverantwortung der Betroffenen.

Nachhaltigkeit ist eine Daueraufgabe. Wie konkret die Umsetzungssetzungsstrategien sein werden und ob auch verbindliche Regelungen oder Sanktionen für die Nichteinhaltung der Ziele in der Sustainability Policy festgelegt werden, wird sich zeigen. Die Diskussion hat sich gerade erst entfaltet. «Dieser Prozess hätte natürlich längst stattfinden sollen», sagt Hilty. «Aber besser spät als nie.