Overacting als Konzept: Deutschlehrer Martin Burkhart. Natalie von Riedmatten

Martin lehrt Deutsch

Der Student gibt auf Youtube Deutschkurse. Das kommt vor allem bei Geflüchteten an.

25. November 2018

Am Anfang stand die Frage «Du oder Sie?» In seinem ersten Youtube-Video, hochgeladen im April 2017, erklärte Martin seinen Zuschauenden, wann Duzen und wann Siezen angebracht ist. Der Auslöser für diese ersten Gehversuche im Internet – damals noch mit einem Handy aufgenommen – war Martins Tätigkeit als Deutschlehrer. Oder genauer: Marcello aus Kolumbien, dem er die ersten deutschen Sätze beigebracht hat. Dieser war so angetan von seinem Lehrer, dass er vorschlug, dessen Sprachwissen in Videos zu verpacken. Den Kanalnamen «Deutsch mit Martin» lieferte er gleich mit.

Overacting als Markenzeichen

Martin steht vor seiner Kamera in einem stickigen Kellerraum in Zürich Schwamendingen, während Marcello mit verschiedenen Aufnahmewinkeln experimentiert. Durch das Studio verläuft eine Abwasserleitung – jedes Mal wenn Bewohnende des Wohnblocks auf die Toilette gehen, rauscht und sprudelt es. Marcello ist inzwischen zufrieden mit der Kameraposition, Martin nimmt seinen Platz vor dem Greenscreen ein und beginnt zu reden. Es geht um die Wortfamilie «Respekt», dazu gestikuliert er gross, schwungvoll, raumergreifend – das Overacting ist ein Markenzeichen des Kanals.

Das will der Student der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaften jedoch nicht als Unbeholfenheit verstanden wissen. «Es hilft, Gesagtes zu verstehen. Mit Körpersprache können Inhalte hervorgehoben und dargestellt werden.» Begeisterte Kommentare und eine wachsende Zuschauerschaft seiner Videos geben im Recht. Knapp 5000 User haben den Kanal inzwischen abonniert. Etwas stolz sei er gewesen, als er erstmals mehr Klicks hatte, als Menschen in seiner Heimatstadt Salzburg leben – ein Ort, der ihn inzwischen «nur noch langweilt».

Die österreichische Herkunft hört man Martin nicht an: Stattdessen wechselt er zwischen Schweizerdeutsch und Hochsprache hin und her. Warum er auf das charakteristische Österreichische verzichtet, hat einen guten Grund, wie Martin ausführt: «Damit will ich die österreichische Regierung stürzen», meint er schelmisch. Martins Antworten kommen schnell und scharf, er kokettiert gerne.

«Destruktive Kritik»

Sein Projekt verfolgt er mit viel Enthusiasmus, auch wenn man ihm manchmal mit wenig Entgegenkommen begegne. Als er das Sprachenzentrum von Uni und ETH darum bat, seinen Youtube-Kanal dort bewerben zu dürfen, lehnte dieses ab. Dabei sei es aber nicht geblieben, zusätzlich sei «oberflächliche und destruktive Kritik am gesamten Konzept» geübt worden, so Martin. Der betreffende Professor wollte sich auf Nachfrage der ZS nicht dazu äussern.

Das Goethe-Institut Riad hingegen zeigte sich von den Videos begeistert und wollte ihn für vier Wochen nach Saudi- Arabien einladen. Zustande gekommen ist die Kooperation jedoch nicht. «Ich war während des Organisationsprozesses in den Ferien, das ist auch irgendwie unglücklich gelaufen.» Er freue sich aber nur schon über die Anerkennung, die ihm die Institution für Deutsch als Zweitsprache damit gezeigt hat.

So oder so hat er mit seinem Projekt noch viel zu tun: Martin plant eine Videoreihe zum Thema Schweizerdeutsch, für die er noch Freiwillige sucht. Zudem ist die Webseite momentan aufgrund technischer Probleme nicht abrufbar, in den nächsten Wochen wolle er sich aber darum kümmern. «Ich bin eben jemand, der sehr unrealistische Vorstellungen von der Anzahl Stunden an einem Tag hat.»