Busse bei der Hardbrücke warten auf die Teilnehmenden. Mats Inauen

Die Lange Nacht der Unternehmen: Imagepflege für Zürcher Firmen

Am 25. Oktober luden ein Dutzend Unternehmen in der Region Zürich zum vierten Mal zur Langen Nacht der Unternehmen. Die Organisatoren wollen damit auch Studierende ansprechen. Ein Besuch bei Ausbildungsunternehmen und umstrittenen Rüstungsfirmen.

27. Oktober 2018

Donnerstagabend auf dem Busterminal beim Bahnhof Hardbrücke. Vor uns stehen mehrere grosse Reisebusse bereit, um die Besucherinnen und Besucher der Langen Nacht der Unternehmen zu den verschiedenen Unternehmen zu chauffieren, die an diesem Abend ihre Pforten öffnen. Zur Auswahl stehen sechs Touren mit jeweils zwei Firmen. Wir steigen in den Bus für die Tour 3 ein und fahren los.

Das erklärte Ziel der Langen Nacht der Unternehmen: interessierten Personen «die erfolgreichen und innovativen Unternehmen» näher zu bringen und «Produktion und Forschung direkt in Aktion» erlebbar zu machen. Auch an der Universität Zürich haben Plakate für diesen Anlass geworben.

Allerdings wird die Lange Nacht der Unternehmen – im Gegensatz zur Langen der Nacht der Karriere – nicht von der Uni organisiert. Dahinter stehen zwei Wirtschaftsorganisationen im Raum Zürich: die Unternehmergruppe Wettbewerbsfähigkeit und der Industrieverband Zürich. Zwei Organisationen also, die sich für wirtschaftlich und politisch möglichst günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen in Zürich einsetzen. Mit Berufsmessen, Praxistagen an Schulen und eben dieser Langen Nacht der Unternehmen soll nicht nur auf die Politik, sondern auch auf Bildungsinstitutionen eingewirkt werden.

Keine Studis

Vor Ort merken wir aber, dass wir die einzigen Studierenden unter den Teilnehmenden sind. Scheinbar konnte der Anlass keine Anziehungskraft auf stellensuchende Studierende auslösen. Stattdessen ist eine andere Personengruppe stark vertreten: die der Erwachsenen mittleren Alters. Zahlreiche Personen also, welche sich nicht aus beruflichen Gründen für die Unternehmen interessieren, sondern sich einen Eindruck dieser Firmen verschaffen möchten.

Man stelle eine zunehmende Haltung in der Öffentlichkeit fest, welche Wohlstand und Arbeitsplätze als selbstverständlich ansehe.

Ein Flop? «Nein», sagt Lukas Blum, Kommunikationsberater und Organisationsverantwortlicher der Langen Nacht der Unternehmen. Es sei auch in den letzten Jahren so gewesen, dass das Durchschnittsalter der Teilnehmenden klar über demjenigen der Studierenden gelegen habe. Es sei durchaus die Idee, auch der bereits arbeitstätigen Bevölkerung die Interessen der Unternehmen zu vermitteln. Man stelle nämlich eine zunehmende Haltung in der Öffentlichkeit fest, welche Wohlstand und Arbeitsplätze als selbstverständlich ansehe. Dem wolle man unter anderem damit entgegenwirken, indem man die Unternehmen und deren Arbeit genauer vorstellt.

Die Zürcher Unternehmenswelt fürchtet sich also vor einem angeblich zunehmenden Imageschaden. Um diesen zu bekämpfen, setzt sie auf die Rhetorik, die man von Wirtschaftsverbänden schon gut kennt: die Unternehmen mit ihrem Kapital, ihrem Know-How, ihren Maschinen und ihren Arbeitsplätzen generieren den Wohlstand, den wir alle geniessen dürfen. Die Arbeitsleistenden hingegen müssen sich fortbilden, den sich verändernden Bedürfnissen der Wirtschaft anpassen, an sich arbeiten und dankbar ihren Beitrag am Arbeitsplatz verrichten, damit auch sie ihren Teil des von den Unternehmen generierten Wohlstandes erhalten.

Waffenhandel für den Wohlstand

Bei den Teilnehmenden der Langen Nacht sind die Interessen der Unternehmerinnen und Unternehmer bereits weitgehend etabliert. Dies zeigt sich besonders an der grossen Beliebtheit der Tour 2, die unter anderem zum Rüstungsunternehmen Rheinmetall Air Defence in Oerlikon führt. Ein ungefähr 45-jähriger Familienvater ist beispielsweise bereits zum dritten Mal bei der Rheinmetall-Tour dabei: «Wenn wir nicht mit Waffen handeln, tut es jemand anderes», findet er. Der Waffenexport sei eine schwierige Frage, «aber man kann ihn nicht begrenzen», erzählt ein älteres Paar. Generell schade es nicht auch einmal die Sichtweise des Unternehmens zu hören, nicht nur immer diejenige der Medien.

Der Tenor lautet: Trotz aller Kritik stehen hinter den produzierten Waffen eben auch Arbeitsplätze. Diese bilden somit den Vorwand dafür, nicht Menschenrechte, sondern die Profite der Unternehmen und der Beitrag der Rüstungsindustrie zur Wirtschaftsstärke Zürichs in den Vordergrund zu rücken.

«Auch die Rüstungsindustrie hat Tradition in Zürich.»

Die Rheinmetall Air Defence, eine Schweizer Tochterfirma des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall AG, stand in Vergangenheit immer wieder in der Kritik – zuletzt wegen einer Korruptionsaffäre in Indien. Wie der «Spiegel» berichtete, wurde die Firma vom indischen Verteidigungsministerium aufgrund von Bestechung des Generaldirektors der Rüstungsbeschaffungsbehörde auf eine schwarze Liste gesetzt. Der indische Waffenmarkt gilt jedoch als einer der lukrativsten der Welt, weshalb Rheinmetall einen indischen Waffenhändler mit dem Übernamen «Lord of War» anheuerte, um dafür zu sorgen, dass sie wieder von der schwarzen Liste gestrichen würden. Diese Bestechungsversuche flogen jedoch auf – der «Lord of War» wurde daraufhin verhaftet.

Inszenierung und Beschäftigungstherapie

Für den zuständigen Organisator Lukas Blum ist die Mitwirkung von Rheinmetall nicht problematisch. «Auch die Rüstungsindustrie hat Tradition in Zürich», sagt Blum. Der Besuch bei Rheinmetall sei jedes Jahr sehr beliebt. Dass das Unternehmen auch angesichts der Debatte in Bundesbern über die Exportregelungen die Tore öffnet, schätze er sehr. So könne sich jeder und jede direkt eine Meinung bilden. Zum Korruptionsskandal in Indien will er sich nicht äussern.

So bleibt von der Langen Nacht der Unternehmen schliesslich der Eindruck einer Inszenierung für Technikaffine und einer Beschäftigungstherapie für diejenigen, welche zum wiederholten Mal am Anlass teilnehmen. Und das alles organisiert von und zum Wohle der grossen lokal ansässigen Unternehmen.