Werden sorgfältig ausgesucht: Ordinarien. Stefan Kraft

Berufungskommission an der Uni: alle für eine

Die Zusammensetzung der Berufungskommission am Romanischen Seminar (RoSe) sollte zu denken geben. Denn sie führt nicht nur vor Augen, wie sehr die Geschäfte der Uni von Seilschaften geprägt sind. Sondern auch, wie marode die Organisation der Uni insgesamt ist.

5. Oktober 2018

Aktualisiert am 08.10.18 um 10:15

Etwas ist faul an dieser Uni. Also in Wahrheit viel mehr als nur etwas. Denn die Affäre um die Berufung am RoSe nimmt immer groteskere Züge an. Nicht nur sind mehrere Mitglieder der Berufungskommission befangen, viele kennen sich auch schon seit ihrer Studienzeit. Dass eine solche Konstellation überhaupt zustanden kommen kann, deutet auf arge Missstände in der gesamten Verwaltungsstruktur der Uni hin. Denn funktionierende Kontrollinstanzen hätten eine derart fragwürdige Situation am RoSe niemals zulassen können.

Eine Berufungskommission voller Freunde

Mit Christina Vogel hat Ursula Bähler, für die eine Professur ad personam geschaffen werden soll, in der Vergangenheit an mehreren Publikationen gearbeitet. Die beiden kennen sich aber schon seit den Neunzigern: Ihre Studienzeit in Zürich überschneidet sich um zwei Jahre. Und 1991 wechselte Bähler als Assistentin von Marc-René Jung zu Jacques Geninasca, bei dem Vogel im Juli 1990 ihre Dissertation abgeschlossen hat. Auch Thomas Hunkeler hat in Zürich studiert, wenngleich einige Jahre nach Vogel. Die Zürcher Universitätsleitung verlieh ihm am 25. August 2003 den Titel eines Titularprofessors. Zuvor hatte er mehrere Jahre die Herausgabe der Literaturzeitschrift «Variations» besorgt, in der 2000 ein Beitrag von Vogel erschien. Auch diese beiden kennen sich.

An ebendiesem 25. August 2003 ernannte die Universitätsleitung Tatiana Crivelli zur ausserordentlichen Professorin für Italienische Literaturwissenschaft. Und siehe da: 2006 hat auch sie in den «Variations» publiziert. Der Vierte in diesem illustren Bunde ist Richard Trachsler. Er hat seine Promotionsarbeit 1992 bei Marc-René Jung geschrieben, also justament dem Professor, bei dem auch Bähler Assistentin war.

Dass sich Vogel, Crivelli, Hunkeler und Trachsler aus grauer Vorzeit kennen und jetzt in der Berufungskommission ihrer gemeinsamen Studienkollegin Ursula Bähler sitzen, wäre an sich schon problematisch genug. Doch es kommt noch besser. Denn Vogel, Hunkeler und Trachsler sind ebenfalls auf Französische Literaturwissenschaft spezialisiert und allesamt befangen, auch nach grosszügiger Auslegung des Reglements.

Befangen, befangen, befangen

Die meisten gemeinsamen Arbeiten von Bähler und Vogel liegen schon ein paar Jahre zurück. Zu viele Jahre, um für die Geschäftsordnung für Berufungskommissionen an der Philosophischen Fakultät relevant zu sein. Der akademischen Eitelkeit ist es jedoch zu verdanken, dass in Vogels Publikationsliste ein Artikel zu finden ist, der erst 2019 erscheinen wird. Und zwar in einem Sammelband, den niemand anderes als Ursula Bähler herausgeben wird. «Befangenheit liegt vor, wenn ein Kommissionsmitglied mit einem Bewerber oder einer Bewerberin innerhalb der letzten fünf Jahre an gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten oder Publikationen beteiligt war» heisst es in der Geschäftsordnung doch so schön.

Thomas Hunkeler hat sich 2003 erwiesenermassen gleichzeitig auf eine Stelle beworben wie Bähler. «Befangenheit liegt vor, wenn ein Kommissionsmitglied mit einem Bewerber oder einer Berwerberin in einem Konflikt- oder einem direkten wissenschaftlichen Konkurrenzverhältnis steht oder stand», sagt dazu die Geschäftsordnung.

Was nun Richard Trachsler betrifft, so sass Bähler gemäss sicherer Quellen 2012 in der Berufungskommission, die eine Nachfolge für Luciano Rossi besorgen sollte. Bähler war Mitglied der Kommission und Richard Trachsler wurde berufen. «Befangenheit liegt vor, wenn ein Bewerber oder eine Bewerberin an der Berufung eines Kommissionsmitglieds beteiligt war», steht in der Geschäftsordnung, die allem Anschein nach niemand gelesen hat.

Objektivität unmöglich

Vier der 15 Kommissionsmitglieder kennen sich und die Kandidatin also seit zehn und mehr Jahren, drei von ihnen plus Thomas Klinkert sind nachweislich befangen. Dazu kommt, dass die Vertreterinnen von Studierenden und Mittelbau in der Kommission bei einem anderen Kommissionsmitglied arbeiten. Sie stehen also in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem anderen Komissionsmitglied. Ob befangen oder nicht: Mindestens sieben von 15 Kommissionsmitgliedern werden keine objektive Entscheidung fällen können, wenn es darum geht, Ursula Bähler zu berufen oder zum dritten Mal abzulehnen. Sie alle werden zu viele Nebensächlichkeiten in Betracht ziehen müssen.

Versagen auf allen Ebenen

Wie kann es zu einer solchen Konstellation kommen? Das Organisationsreglement der Philosophischen Fakultät hält fest, dass der Fakultätsvorstand für die Zusammenstellung von Berufungskommissionen zuständig ist. Die Universitätsleitung muss die Berufungskommission genehmigen. Dieses Antrags- und Prüfungssystem hätte eine Konstellation wie jene am RoSe eigentlich verhindern müssen. Hat es aber nicht. Warum, kann oder will niemand erklären: Das Dekanat der Philosophischen Fakultät war heute Freitag für die ZS nicht zu erreichen.