Kehrte nach seinem Studium an die Uni zurück und blieb 30 Jahre: Maximilian Jaeger. Oliver Camenzind

Der Mann, der den Studis half

Maximilian Jaeger kennt die Uni wie kein Zweiter. Während Jahrezehnten war er die rechte Hand der Rektoren. Dabei setzte er sich auch für die ZS ein.

23. September 2018

Als Maximilian Jaeger Ende der 60er-Jahre an der Universität Zürich studierte, war alles noch ein bisschen anders. Die Uni zählte etwa halb so viele junge Menschen wie heute, in den Hörsälen wurde noch munter geraucht – und zwar in den Bänken genauso wie vorne auf der Kanzel. Studierende vertrieben sich die Zeit im Lichthof bei einem Jass, Studienzeiten von 20 oder 25 Semestern waren keine Seltenheit. Gemütlich war es an der Uni aber dennoch nicht: Die Unruhen von 1968 standen vor der Tür. Sie sollten eine turbulente Zeit einläuten. Von 1981 bis 2011 stand Maximilian Jaeger mitten im Geschehen.

Rote Köpfe am Dies Academicus

Als Universitätssekretär und späterer Delegierter des Rektors war Jaeger für alles zuständig, was durch die Maschen fiel: «Das Organigramm der Uni war damals noch ziemlich einfach. Oft, wenn nicht ganz klar war, in wessen Zuständigkeitsbereich eine Aufgabe lag, war ich gefragt», sagt er heute.

Jaeger hatte Veranstaltungen zu bewilligen, diverse Anträge zu prüfen und repräsentative Einladungen der Universität auszurichten. Er erinnert sich zum Beispiel noch genau an den ersten Dies Academicus, den er organisiert hatte. Aufmüpfige Studierende verunstalteten am Abend vor dem grossen Tag den ganzen Lichthof mit Farbe. Jaeger trommelte in der Nacht einen Putztrupp zusammen, um den Schaden zu begrenzen.

Als der Festakt dann in Gang war, kam es zu einem weiteren Eklat: Der Erziehungsdirektor beschwerte sich über die Art und Weise, wie die Universität die Verordnung über die Ausländergebühren vollzog. Und der amtierende Rektor argumentierte so lange streitlustig zurück, bis die versammelte Gesellschaft mit roten Köpfen dasass. Jaeger war froh, dass sich niemand über die vielen Fahnen wunderte, die die vielen Farbklekse an der Wand verdeckten.

Zur Hauptsache war Maximilian Jaeger aber dem Rektor verpflichtet. Dieser amtete bis 1984 noch in Teilzeit und war im Vergleich zu heute nicht besonders mächtig. Vielmehr war er ein Professor mit einer Handvoll zusätzlicher gesamtuniversitärer Aufgaben. Das erklärt die besondere Stellung des damaligen Universitätssekretärs: «Der Rektor konnte unmöglich über alle Vorgänge an der Uni Bescheid wissen. Er war auf seine Delegierten angewiesen und musste diesen vertrauen». Ein wichtiger Delegierter war Maximilian Jaeger. So stand Jaeger in einem Vertrauensverhältnis zum Rektor. Kontrollorgane gab es zwar, «ich hatte aber einen grossen Ermessenspielraum.»

ZS einziehen

Aus dieser Ausgangslage ergab es sich, dass Maximilian Jaeger Dutzenden studentischen Vereinen und weiteren universitären Organisationen immer wieder als helfende Hand zur Seite stand. «In meiner Zeit wurden vermutlich 50 oder 60 studentische Vereine neu gegründet.» Die meisten dieser Organisationen dürfte es heute nicht mehr geben. Viel zu tun gab es immer auch mit dem «Zürcher Student». «Die Leute beim ZS waren auch unipolitisch immer sehr engagiert. Das war der Uni nicht immer ganz geheuer», erinnert sich Jaeger.

«Ich habe mich immer als Fürsprecher der Studis verstanden.»

Darum bekam er den Auftrag, den ZS immer sofort zu lesen, sobald dieser an der Uni aufgelegt war. Für den Fall, «dass mal etwas wäre» und der ZS Anfang der 80-Jahre hätte eingezogen werden müssen. «Doch das passierte natürlich nie. Die wussten genau, was geht, und was nicht. Ausserdem wollten wir niemanden zensieren. Den ZS lasen wir auch aus Interesse», sagt der Jurist. Doch nicht nur, was in den Zeitungen stand, gab zu reden. Der «Zürcher Student» veranstaltete Partys, zu denen nicht selten 2'000 Studierende oder mehr kamen. Das brauchte immer wieder ein bisschen Füsprache bei der Unileitung. Diese ärgerte sich nämlich vor allem über die Unordnung und die vielen Betrunkenen an diesen Anlässen. Ein Fall für Maximilian Jaeger, der natürlich dabei gewesen war: «Ich blieb jeweils die ganze Nacht und wusste darum, wie diese Feste abliefen. Und wenn sich tags darauf interne Dienste beschwerten, konnte ich vermitteln. Ich konnte die Rektoren überzeugen, dass im Jahresrhythmus auch Feste zum studentischen Leben an der Uni gehören, die das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifikation mit der Alma Mater fördern.»

Überhaupt half Maximilian Jaeger den Vereinen aus, wo er konnte. er fühlte sich als Bindeglied zwischen Studis und der Universität. Er zeigte sich verständnisvoll und grosszügig, wenn es etwas zu bewilligen gab und wusste stets auch für die ZS Geld in studentischen Fonds zu finden. So etwa Mitte der 90er-Jahre, als der neu gegründete Medienverein ZS zum ersten Mal auf digitale Technologie setzte. Die beantragte Computeranlage kostete stattliche 17'000 Franken. Jaeger wusste das Geld zu besorgen.

Auf den Dialog gesetzt

Nicht, dass die Uni ihr Geld vor zwanzig, dreissig Jahren gedankenlos verschenkte. Jaeger erklärt: «Die Leute beim Medienverein ZS haben mir eine fünfseitige Erklärung geschickt, warum ein Computer für sie unererlässlich sei und warum sie einen solchen nicht selber bezahlen konnten. Die Studierenden waren so engagiert, dass es mich immer aufs Neue beeindruckt hat und das Vertrauen gegenseitig wuchs.» Er nahm die jungen Menschen und ihre Anliegen ernst: «Wenn sich jemand neben dem Studium für etwas Sinnvolles – Musik, Theater, Politik, Kunst und Kultur – einsetzt, ist das eine Leistung und unterstützungswert. Das dürfen wir nicht vergessen», sagt Jaeger.

Er hat diese Maxime bis zuletzt hochgehalten, als er ein Jahr vor seiner Pensionierung die Besetzung eines Hörsaals auflöste. Er ging an einem Sonntagabend spontan an die Uni und redete im grossen Hörsaal mit den Anwesenden. Jaeger sagte ihnen, dass die Stimmung innerhalb der Uni immer mehr zu einer Räumung durch die Polizie tendiere, machte aber auch klar, dass mit einem Polizeieinsatz an der Uni niemandem gedient sei. «Wir hatten einen leeren Raum, zu dem ich den Schlüssel hatte. Diesen Schlüssel bot ich in Absprache mit dem Rektor den Besetzerinnen und Besetzern an, wenn sie im Gegenzug den Lichthof und den Hörsaal freigeben würden.» Und siehe da: Um Mitternacht verliessen die Studis das Kollegiengebäude. Ein Erfolg und eine Genugtuung für Maximilian Jaeger, der immer auf Dialog und Zusammenarbeit gesetzt hatte.