Das Romanische Seminar heckt etwas aus
Vor zwei Jahren strich die Uni Zürich eine von zwei Professuren für französische Literaturwissenschaft. Jetzt bemüht sich das Romanische Seminar dennoch um eine Professur. Mit haarsträubenden Mitteln.
Geändert am 18.09. um 18:25.
Am Romanischen Seminar der Uni Zürich (RoSe) steht eine Berufung an. Heute Nachmittag hat Titularprofessorin Ursula Bähler ihren Probevortrag gehalten. Die Berufung gab aber schon zu reden, bevor das Verfahren eingeleitet war. Denn der Professur in spe werden drei Assistenzstellen zum Opfer fallen. Ausserdem ist das bisherige Vorgehen höchst fragwürdig. Eine Aufarbeitung.
Eine Professur reicht nun doch nicht
Ein Lehrstuhl für französische Literaturwissenschaft sei für die Uni Zürich genug. Das entschied die Unileitung 2016. Für Professor Labarthe wird es daher keine Nachfolge geben, wenn dieser im Januar 2019 emeritiert wird. Die Studierendenzahlen seien zurückgegangen, wurde die Entscheidung gegenüber der «NZZ» gerechtfertigt. Ausserdem seien die Betreuungsverhältnisse auch mit nur einer Professur intakt.
Jetzt nimmt das RoSe das Heft selber in die Hand. Es plant eine Professur ad personam. Im Unterschied zu ordentlichen Lehrstühlen sind das Professuren, die die Seminare selber beantragen können. Und die nicht an eine Fachrichtung, sondern an eine Person geknüpft sind.
Nachfolge oder keine Nachfolge?
Um einen Ersatz für den gestrichenen Lehrstuhl handle es sich aber nicht, betont Tatiana Crivelli, Vorsteherin des RoSe. Denn «die Universitätsleitung hat vor zwei Jahren entschieden, dass es für Patrick Labarthe keine Nachfolge geben wird. Das akzeptieren wir.» Dass im gleichen Fach nun doch eine Professur geschaffen werden soll, kommentiert sie folgendermassen: «Wir möchten auch mit einem Lehrstuhl weniger ein attraktives Institut bleiben. Daher das Berufungsverfahren». Ob die Attraktivität der Zürcher Romanistik nun von der französischen Literaturwissenschaft abhängig ist, oder nicht, sei dahingestellt. Tatsache ist der Konflikt, dass die Unileitung den Lehrstuhl nicht verlängern wollte und das Seminar nun auf eigene Faust eine Professur einrichten will. Das Seminar und die Uni haben es versäumt, eine saubere Lösung für das Problem zu finden. Und der jetzige Plan ist alles andere als sauber: Er geht auf Kosten dreier Assistenzstellen.
Denn personenbezogene Professuren müssen Seminare über ihr Personalbudget finanzieren. «Die Kosten werden von den drei grossen Fächern am Institut gemeinsam getragen», sagt Tatiana Crivelli. Was sie indes verschweigt, ist, dass das Budget ihres Seminars ziemlich knapp ist. Darum wird die Professur von Frau Bähler, sofern sie denn zustande kommt, zulasten mehrerer anderer Stellen gehen. Konkret heisst das: Das RoSe wird weniger Personen beschäftigen können, wenn es diese Professur tatsächlich will.
Eine Professur auf Kosten des Mittelbaus
Alle drei Fachbereiche am RoSe werden je 50 Stellenprozente freigeben müssen, um den Lohn der Professorin in spe mitzufinanzieren. Die Mediensprecherin der Universität Zürich versichert, dass wegen der Professur aber niemand entlassen würde. Es handle sich bei allen drei um auslaufende Verträge. Doch das stimmt nicht. In Wahrheit nur läuft eine der drei Assistenzstellen aus und wird nachher nicht mehr besetzt. Eine zweite Stelle wird von der aktuellen Besetzung aufgegeben, während die Person auf der dritten Stelle entlassen wird. Das zeigen neueste Recherchen der ZS. Genauso schwer wiegt aber, dass die drei Stellen künftig nicht mehr existieren. Das heisst, dass das RoSe weniger akademischen Nachwuchs ausbilden kann und der ohnehin schon gebeutelte Mittelbau ein weiteres Mal geprellt wird.
Missbrauch eines Gefässes
Gewöhnlich regelt die Lehrstuhlplanung der Fakultät die Besetzung von Lehrstühlen. Dann werden Lehrstühle wie gewöhnliche Stellen ausgeschrieben und mit einer Bewerbungsfrist versehen. Nach Ablauf dieser Frist prüft eine Berufungskommission sämtliche eingegangenen Bewerbung und trifft eine Vorauswahl. Diese Kandidatinnen und Kandidaten werden zu einem Probevortrag eingeladen, worauf die Berufungskommission evaluiert, was sie gehört und gesehen hat. Die am besten geeignete Person wird von der Universitätsleitung berufen. Nicht so bei personenbezogenen Professuren.
Ziel einer Professur ad personam ist es, ausgezeichnete externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Zürich zu holen, deren Forschungsgebiete hier noch nicht oder zu wenig abgedeckt werden. So steht es unter §3 des entsprechenden Reglements der Philosophischen Fakultät. Personenbezogene Professuren sollen also zusätzliches Wissen an die Seminare bringen. Daher ist es Sache der Seminare, Professuren ad personam zu beantragen.
Das Vorhaben des RoSe steht allerdings quer in der Landschaft: Ursula Bähler wird weder auf herkömmlichem Weg berufen, noch ist ihr Verfahren mit dem Reglement für personenbezogene Berufungen zu vereinbaren. Denn Bähler ist keine externe Wissenschaftlerin. Sie hat in Zürich ihr Lizentiat gemacht, in Zürich doktoriert, in Zürich ihre Habilitation geschrieben und ist seither Titularprofessorin in Zürich. Und ihr Fachgebiet ist – so argumentierte 2016 zumindest die Unileitung – auch mit einem Lehrstuhl bestens abgedeckt.
Dass das RoSe sich um seine Attraktivität bemüht, ist verständlich. Dass es dazu allerdings das Gefäss der personenbezogenen Professur missbraucht, ist stossend. Und dass es seine Attraktivität auf dem Rücken des Mittelbaus pflegt, ist daneben.
Möglichst keine Öffentlichkeit
Im besten Wissen um die Brisanz dieser Ausgangslage hat das Romanische Seminar alles daran gesetzt, seinen Plan möglichst schnell und unbemerkt in die Tat umzusetzen. Aus internen Protokollen geht hervor, dass der Mittelbau stets nur Mangelhaft über das Vorhaben der Seminarleitung informiert wurde. Mehr als einmal erhielten Vertreterinnen und Vertreter des Mittelbaus Informationen erst zwei Tage vor den Institutsversammlungen. So blieb keine Zeit für eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit der Thematik. Und für allfällige Gegenpositionen schon gar nicht.
Schludrig – oder eben berechnend – arbeitete das Seminar auch bei der Ankündigung des Probevortrags. Der öffentliche Hinweis auf den Probevortrag wurde erst vor ein paar Tagen auf der Website der Fakultät aufgeschaltet. Ort und Zeit sind in der Annonce nicht erwähnt. Crivelli rechtfertigt sich: «Die Einladung wurde den Angehörigen des Instituts und den Fakultätsmitgliedern bereits im August gesandt, diese enthält selbstverständlich Ort und Zeit.» Damit verweist sie auf ein Schreiben vom 21. August, das von Ulrike Ehlert, der Präsidentin der Berufungskommission, und Dekan Klaus Jonas unterzeichnet ist.
Zum aussergewöhnlichen frühen Termin erläutert die Medienstelle: «Der Termin wurde bewusst an den Anfang des Semesters gesetzt. Denn dann finden noch nicht viele Veranstaltungen statt, und die Leute haben Zeit zu kommen.» Allerdings: In der ersten Semesterwoche sind auch viele noch gar nicht da. Auch das könnte also Teil strategischer Überlegungen sein.
Miese Stimmung am RoSe
Es wird wieder etwas ausgeheckt an der Uni. Und das wird ihr ausschliesslich schaden. Denn die Stimmung am RoSe ist ohnehin schon schlecht ist. «Wir sind nur das Kanonenfutter in einem grossen Machtkampf», sagt eine Person aus dem Mittelbau. Die Uni baut aber auf Kollegialität. Wird dem Gemeinschaftsgefühl keine Sorge getragen, kann sich das schnell auch auf die Qualität des Seminars auswirken. Und das ist genau, was das RoSe verhindern wollte.