Etwas mehr Gratulanten und Gratulantinnen hätte man der VAUZ zum Geburtstag schon gewünscht. Reto Heimann

Jubiläum in schwierigen Zeiten

21. Juni 2018

Die Vereinigung akademischer Mittelbau der Universität Zürich (VAUZ) beging sein fünfzigjähriges Bestehen mit einem Festakt in der Aula. Die Feierlichkeiten vermochten nicht darüber hinwegzutäuschen, in welch schwieriger Lage die VAUZ sich momentan befindet.

Die VAUZ haut auf den Putz: Zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens lud die Vereinigung, die sich seit ihrer Gründung für die Interessen des Mittelbaus an der Universität einsetzt, zum Festakt in die Aula. Geladen waren hohe Gäste: Regierungsrätin und Bildungsdirektorin Silvia Steiner (CVP) sprach genauso wie Rektor Michael Hengartner Grussworte, die Festrede hielt der Mitgründer und erste Präsident der VAUZ, der mittlerweile emeritierte Professor Helmut Holzhey. Ihm folgte Georg Winterberger, der aktuelle Co-Präsident der VAUZ, der die grössten Herausforderungen der VAUZ «für die nächsten fünfzig Jahre» skizzierte.

Der Muskel der Uni

Sie alle sprachen vor überschaubarem Publikum – die Aula im Hauptgebäude der Uni war knapp zur Hälfte gefüllt. Das, obschon alle Angehörige des Mittelbaus – immerhin fast 3500 an der Zahl – eingeladen gewesen wären. Das hinderte die Rednerin und die Redner indes nicht daran, unisono die Wichtigkeit der VAUZ zu betonen. Der Mittelbau sei «der Motor der Forschung und Lehre», meinte etwa Steiner. Hengartner schloss sich dem mit einem Vergleich aus der Anatomie an: «Der Mittelbau ist der Muskel der Universität. Ohne ihn wäre die Uni bloss ein Skelett.» Die vielen Assistenten, Doktorandinnen und Post-Docs seien es, die «den Laden schmeissen» würden. Und auch Präsident Winterberger betonte in seiner Rede die Wichtigkeit einer unabhängigen Vertretung für den Mittelbau.

Alles eitel Sonnenschein bei VAUZ und beim Mittelbau also? Nicht ganz. Denn der Mittelbau leidet. Der akademische Weg ist steinig und nicht immer von Erfolg gesegnet – weder finanziell noch im Hinblick auf die Karriere. Von allen Personen im Mittelbau haben nur ungefähr zehn Prozent Aussicht auf einen Lehrstuhl. Und da das Anstellungsverhältnis für Doktoriernde respektive Post-Docs zeitlich begrenzt ist, sehen sich viele von ihnen Mitte Dreissig mit der Situation konfrontiert, an der Uni keine Perspektive zu haben. Trotz jahrelanger schlecht bezahlter Knochenarbeit in Forschung und Lehre. Und auf dem Arbeitsmarkt ausserhalb der Uni wartet auch niemand auf sie. Ausser einem Titel gibt es an der Uni im Mittelbau oft nichts zu gewinnen.

Nette Geburtstagsworte

Die Situation ist den Verantwortlichen durchaus bekannt. «Es müssen alternative Karrierewege geschaffen werden», so Steiner. Denn noch immer gleiche die Hierarchie in der Akademie einer Pyramide, der akademische Weg biete mehr Risiken als Perspektiven. «Die wissenschaftliche Arbeit, die die Vertreterinnen und Vertreter des Mittelbaus leisten, muss mehr gewürdigt werden.» Denn die Gesellschaft sei auf die klugen Köpfe im Mittelbau angewiesen. Zudem betonte Steiner, dass es darauf Acht zu geben gelte, dass es in der Doktorierendenbetreuung nicht zu Machtmissbrauch komme – wie jüngst an der ETH. Steiner ist überzeugt, dass es auch an der Universität Zürich solche Vorkommnisse gibt. «Solche Missstände dürfen wir an der Universität keinesfalls dulden.» Aus diesem Grund wurde eine Anlaufstelle ins Leben gerufen, an die sich Doktorierende bei Problemen wenden können.

Damit rannte sie bei Georg Winterberger offene Türen ein. Er fordert eine klarere Trennung von Betreuung und Bewertung im Doktorat: «Diese doppelte Abhängigkeit ist unglücklich und muss neu geregelt werden.» Winterberger zeigte sich durchaus angriffig: Die Planbarkeit und Sicherheit bei Doktorierenden und Post-Docs müsse verbessert werden. «Wer Karriere macht, das soll vom Talent abhängen. Nicht von der Anzahl verfügbaren Plätze.» Die Neuordnung des Ständesystems, bei dessen Umsetzung mehr Assistenzprofessurstellen geschaffen und Lehraufträge konsequent in Lehranstellungen umgewandelt werden sollen, sei ein Schritt in die richtige Richtung.

Es ist wohl das, was Hengartner in seiner Rede zweimal als «etwas idealistisch» bezeichnete. Die VAUZ sei zwar mittlerweile fünfzig Jahre alt, aber von Midlife Crisis sei ihr nichts anzumerken. «Die VAUZ ist jung und dynamisch – und immer konstruktiv.» Nette Geburtstagsworte eben, die man auch der unliebsamen Tante auf eine Karte schreiben würde. Dafür betonte Hengartner mit Nachdruck, dass ein Drittel aller SNF-Förderprofessuren auf die Uni Zürich fallen. Das zeige: «Der Standort Zürich ist attraktiv, auch im Mittelbau.»

Vom Lohn sprach niemand – leider

Am angriffigsten zeigte sich aber das Team rund um Oriana Schällibaum, bis vor Kurzem Co-Präsidentin der VAUZ. Sie hatte eigens für den Festakt einen Kurzfilm angefertigt, der mit einem Augenzwinkern die Missstände im Mittelbau aufzeigt. Gelungenste Szene: Drei Doktorierende sitzen auf dem Elektrovelo im ASVZ und strampeln sich die Lunge aus dem Leib. Sie bemängeln die Aussicht, die sich ihnen hier stellt, und eine von ihnen jammert:«Noch 80 Kilometer zu fahren – dabei sind es nicht mal meine eigenen, sondern erst die des Lehrstuhls.» Darauf die andere: «Deine eigenen Kilometer musst du halt in der Freizeit abarbeiten.»

Gründungsmitglied Helmut Holzhey, der die VAUZ von der Gründung 1968 bis 1971 präsidierte, legte den Fokus auf die Vergangenheit. In einer tour d'horizon schälte er heraus, wie es zur Gründung der VAUZ kam, gegen welche Widerstände sie anfangs zu kämpfen hatte, was sie dabei aber auch alles erreichte. Wenig Freunde beim aktuellen VAUZ-Vorstand dürfte er sich gemacht haben, als er väterlich mahnte: «Der Ruf nach mehr Sicherheit ist in der heutigen Akademie verständlich. Allerdings ist mehr Sicherheit auch immer mit einer Aufgabe an Freiheit verbunden.»

Genau das allerdings ist es, was der VAUZ unter der Leitung von Georg Winterberg zukünftig vorschwebt. Der Entscheid für den akademischen Weg soll mit mehr Sicherheit verbunden sein. Mehr Festanstellungen an der Uni selbst, eine bessere Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, um einen nahtlosen Übergang von der Uni auf den Arbeitsmarkt gewährleisten zu können. Und auch wenn es an diesem Abend niemand explizit aussprach: Etwas mehr Lohn für die von allen Anwesenden als so wertvoll und anspruchsvoll taxierte Arbeit wäre auch nicht verkehrt.

Geschenke

Zum Schluss verteilte Winterberger noch Geschenke. Dabei war er aufmerksam genug, auch dem VSUZH, der heuer sein fünfjähriges Jubiläum feiert, ein kleines Präsent zu kredenzen. Dumm nur: Vom VSUZH-Vorstand hatte es niemand an die Feierlichkeiten geschafft. Das ist sicherlich unglücklich, vor allem was die Wirkung nach aussen anbelangt, wo es den beiden Organisationen VAUZ und VSUZH gut anstünde, gegenseitige Solidarität miteinander zu bekunden. Denn eigentlich funktioniere der Austausch zwischen VAUZ und VSUZH, Mittelbau und Studierendenschaft ausgezeichnet, wie Polina Pokrovskaya, Co-Präsidentin des VSUZH, auf Nachfrage versichert: «Das Datum für die Feierlichkeiten lag aus Studierendensicht einfach denkbar ungünstig. Viele im VSUZH-Vorstand befinden sich momentan in der Lernphase.» Man dürfe schliesslich nie vergessen, dass die Arbeit beim VSUZH, genau wie bei der VAUZ, auf ehrenamtlicher Arbeit beruhe. «Zumindest ab und zu müssen auch wir vom VSUZH noch unserem Studium nackommen», so Pokrovskaya mit einem Augenzwinkern. Sie räumt aber ein: «Es ist schade und unglücklich, dass niemand vom VSUZH am Festakt teilnahm.» Zumal Lukas Buser, die andere Hälfte des VSUZH-Präsidiums, sogar als Revisor im VAUZ-Vorstand waltet.

Sicher ist indes: Der VAUZ wird auch im nächsten halben Jahrhundert die Arbeit nicht ausgehen. Sie ist weiterhin auf engagierte Unterstützung angewiesen, die sie zur starken Stimme des Mittelbaus in der Hochschulpolitik macht. Man hätte der VAUZ etwas mehr Gratulantinnen und Gratulanten gewünscht an ihrem Geburtstag. Vor allem aber wünscht man der VAUZ eine rosige Zukunft – aller Schwierigkeiten zum Trotz. Denn der Motor der Uni ist dringend auf Treibstoff angewiesen, um sein immenses Pensum an Kilometern zurücklegen zu können.