Lobhudelei

Amore

13. Mai 2018

Clean Cuts — Nennt mich einen Macho. Aber das Highlight meines Morgens ist nicht etwa der Espresso, sondern die Zeit im Badezimmer. Denn dort rühre ich mit dem Pinsel im Seifentöpfchen wie Grossvater einst in der Polenta. Und wie alles, was gut werden soll, braucht auch der Rasierschaum seine Zeit. Die Seife will mit Dachshaar gestreichelt und mit warmem Wasser umschmeichelt sein, bevor sie sich in den perfekten Rasierschaum verwandelt und perlmuttern zu glitzern beginnt. Da ist auch wieder der Duft nach nassem Holz. Das ist genau die Art von Frische, die mein verschlafenes Gesicht braucht.

Doch der richtige Spass kommt erst noch: Mit Rasierschaum lässt sich nämlich die ganze Topographie um Wangen, Kinn und Hals in eine Winterlandschaft verwandeln. Wenn ich morgens zu spät an die Uni komme, ist das der Grund: Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, meinen Mund mit Neuschnee zu umgeben und feine Hügelchen auf meinen Backen entstehen zu lassen. Der Rasierpinsel ist ein richtiger Zauberstab in meinen Händen.

Ich gebe es zu: Kaum jemand in meinem Bekanntenkreis braucht morgens so lange im Bad. Aber so glücklich wie ich entsteigen auch nur die Wenigsten der dampfgesättigten Luft. Denn eine scharfe Rasur gibt einfach ein gutes Gefühl. Genau wie eine perfekte Polenta. Und das braucht Zeit und Savoir-faire – keine elektrischen Fummelgeräte, die surren wie Stabmixer.