Die grösste Samenbank der Schweiz
Ein Besuch im Botanischen Garten der Uni Zürich lohnt sich auch für jene, die sich nicht für Blumen interessieren. Eine Reportage.
Zwischen dem Hegibachplatz und der Blinden Kuh befindet sich in der ehemaligen Parkanlage der Villa Schönau seit den späten 1970ern der Botanische Garten von Zürich. Weshalb in einem Garten ein Gebäude aus Sichtbeton steht und warum ihr euch die 29 Franken für den Saunabesuch in der Badi Enge schenken könnt.
Lateinische Bio-Witze
Wäre die Haltestelle der Buslinie 33 nicht mit «Botanischer Garten» betitelt – man würde weiterfahren. Ein schmaler Fussweg führt von der linken, eine kleine Strasse von der rechten Seite hinauf zum Botanischen Garten. Kaum betritt man die Parkanlage, fallen die zahllosen Täfelchen vor beinahe jeder Pflanze auf. Unweigerlich fühlt man sich etwas unangenehm an die Lateinstunden erinnert, ist doch auf jeder die wissenschaftliche Bezeichnung des entsprechenden Gewächses aufgeführt. Ein beliebtes Beispiel ist die Teufelszunge, lateinisch Amorphophallus – da hat sich ein Wissenschaftler bei der Namensgebung wohl einen Scherz erlaubt.
Graues Institut im bunten Ambiente
Eingetaucht in die botanische Herrlichkeit, wird das Auge der Besuchenden unsanft durch in Beton gegossenen 1970er-Jahre-Schick eingenommen. Ein Kontrast zur prächtigen Pflanzenwelt, den man mögen muss. Darin enthalten sind das Institut für Systematische und Evolutionäre Botanik sowie das Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich. Pflanzenvielfalt, Interaktionen der Bestäuber mit Pflanzen und Abwehr der Pflanzen gegen Pathogene sind nur wenige der Gebiete, die in diesen Instituten erforscht werden. Aber nicht nur eine grosse Forschungsstätte befindet sich im Botanischen Garten, auch eine von schweizweit nur zwei Samenbanken und ein Museum mit zehntausenden botanischen Objekten, das von globaler kultureller Bedeutung ist, sind auf dem Gelände zu finden. Wohl am erstaunlichsten sind die Herbarien, die von der Universität und der ETH Zürich zusammengelegt wurden. Mit fast 3.8 Millionen Pflanzen- und Pilzbelegen gehören sie zu den grössten Herbarien der Welt. Auch eine kleine Bibliothek inmitten des Grüns samt einer ebenso winzigen Mensa gibt es hier. Verglichen mit anderen Unistandorten sind Auswahl und Portionengrösse klein, dafür fällt das lange Anstehen weg. Ausserdem lassen sich auf der Terrasse neben Gewächsen auch rüstige Seniorengruppen beim Kaffeeschlürfen beobachten.
Ein Garten, der wandert
Der erste botanische Garten, der einer Universität gehörte, wurde 1543 in Pisa gegründet. In erster Linie sollten Pflanzen für wissenschaftliche Zwecke kultiviert werden, doch auch der Bevölkerung standen die botanischen Gärten offen. Durch den Kolonialismus wurde der Import von exotischen Pflanzen begünstigt, jedoch spielten auch regionale Pflanzen schon immer eine wichtige Rolle. Schliesslich geht es um die Vielfalt, die auch heute noch in Hülle und Fülle vorhanden ist. Auch die Universität Zürich ist seit ihrer Gründung 1833 im Besitz eines botanischen Gartens. Der Erste befand sich in Wiedikon und der Zweite ab 1837 am Schanzengraben. Erst in den 1970ern entstand der neue Botanische Garten – die Architektur zeugt davon.
Über Mittag in den Süden
Wer trotz schmalem Portemonnaie ein Freizeiterlebnis der besonderen Art sucht, ist in den Tropenhallen genau richtig. Hierbei handelt es sich quasi um das kleine Geschwister der Masoalahalle des Zürcher Zoos – einfach ohne Tiere. Neben warmer Luft und dem kostenlosen Sommerfeeling wird in anschaulicher und informativer Weise durch die Vegetation der Tropen- und Savannenlandschaft geführt. Um den Botanischen Garten zu schätzen, bedarf es aber nicht zwangsläufig einer besonderen Affinität zur Botanik. So lädt die grosszügige Parkanlage zum Verweilen ein, und auch ein Rendezvous wird ganz ohne hippes Café zum einmaligen Erlebnis.