Vorträge: Das Für und Wider
Die meisten Studierenden kennen den Drill: Früher oder später im Studium müssen alle 5 oder 45 Minuten über ein Thema referieren. Manchen macht das Spass, andere empfinden es als Zumutung. Das Für und Wider des Vortragens.
Der Status quo
Es reicht, wenn man den Satz «Willkommen zum heutigen Vortrag!» hört, dass man sich denkt: Muss diese Floskel jedes Mal sein? Ist sie überhaupt richtig? Schon wieder ein Referat! Vorträge sind Gang und Gäbe in Seminaren an der Philosophischen Fakultät, aber auch in anderen Fakultäten der Universität Zürich. In den Seminaren der Philosophischen Fakultät ist schon seit einigen Jahren Tradition, dass der grösste Teil der Sitzungen von Studierenden geführt wird, die ein vorgegebenes Thema präsentieren. Dabei wiederholt sich immer das gleiche Muster. Die erste Sitzung ist ein unausgesprochener Wettkampf, nach dem Motto «first come, first served»: Wer sich zuerst meldet bekommt das beste Thema oder den besten Termin (möglichst früh im Semester). Die Präsentationen werden dann fast ohne Ausnahmen in Microsoft PowerPoint erstellt. Formell sehen sie dann auch alle sehr ähnlich aus: Immer eine Gliederung, das Format in Stichpunkten, die Zusammenfassung, die Diskussion, der Satz «Habt ihr noch Fragen?». Gewissermassen richten sich die PowerPoint-Präsentationen nach dem Schema einer Seminararbeit, also nach wissenschaftlichen Standards. Und das dazugehörige Ritual um das Präsentieren muss ja nicht immer unbedingt etwas Negatives sein, es weckt aber auch nicht die Aufmerksamkeit der Zuhörenden. Diese Monotonie trägt eher dazu bei, dass man die nächste Sitzung missmutig erwartet.
Pro
Dass Vorträge in Seminaren gehalten werden hat aber sicher gute Gründe: Im Berufsleben sind Fähigkeiten in diesem Bereich gefragt. Deswegen macht es auch Sinn, dass das Vortragen schon in der Universität geübt und im besten Fall perfektioniert wird. Bei einem Vortrag sind rhetorische Fähigkeiten gefragt, die in anderen Formen (Prüfungen, Seminararbeiten) nicht vorkommen. Damit ein gewisser Lerneffekt vorhanden ist, ist es hilfreich zu sehen, wie andere Kommilitoninnen und Kommilitonen Präsentationen halten und das eröffnet neue Perspektiven. Neue Perspektiven bringen auch ein Einblick in diverse Themen und dieser trägt grundsätzlich zu einem tieferen Verständnis der Materie bei. Am wichtigsten ist letztlich die abschliessende Diskussion des Vortrages: Es hilft den Vortragenden, sich zu verbessern, Meinungen werden ausgetauscht, es wird gelernt.
Contra
Die erörterten Vorteile kommen aber hauptsächlich den Referierenden zu. Die Zuhörenden profitieren in mehreren Hinsichten weniger von Vorträgen. Sie müssen sich jedes Mal auf ein anderes Thema und eine andere Person einstellen. Dazu braucht es einiges an Zeit und Aufmerksamkeit, bis man drin ist. Besonders mühsam ist es, wenn mehrere Vorträge in einer Sitzung gehalten werden. Das Niveau der Vorträge ist unterschiedlich und obwohl die Referierenden eigentlich Experten in ihrem Thema sind, werden sie wohl selten soviel dazu wissen wie Professorinnen oder Professoren. Ein zentrales Problem ist, dass die Zuhörenden selbst in der Regel wenig über das Thema der Präsentation wissen, was man dann oft in den anschliessenden Diskussionsrunden bemerkt, die oft in Stille verstreichen. Problematisch ist auch, dass die Präsentationen im Inhalt stark variieren. Für die Zuhörenden gibt es dann somit wenig Anhaltspunkte, der rote Faden geht verloren.
Lösungsvorschläge
Was könnte man nun unternehmen, damit alle Parteien mehr von Vorträgen profitieren? Erstens sollten nicht mehr als zwei Vorträge in einer Sitzung gehalten werden, sodass die Zuhörenden durch zu viel Abwechslung nicht ermüden. Auch sollten sich Referate nicht über eine ganze Sitzung erstrecken, da diese mit sehr viel Aufwand für die Vortragenden verbunden sind. Formelle Vorgaben und Tipps rund um Präsentationen seitens der Professorinnen und Professoren sind vielleicht nicht immer notwendig, aber sicherlich nützlich. Für die Zuhörenden wäre eine begleitende Lektüre oder zusätzliches Material hilfreich, damit diese sich erstens besser in die Referate einfinden und zweitens aktiver an der Diskussion teilnehmen können. Eine andere Alternative in diesem Sinn wäre, dass die Themen nicht zu spezifisch gestaltet sind und einen gemeinsamen Roten Faden haben. Auch ein Feedback zur Präsentation wäre hilfreich.